Chamäleon-Zauber
schrecklichen Kiefer über ihnen zusammenklappten, verschwand die Seeschlange plötzlich. An ihrer Stelle flatterte ein leuchtendes, grellbuntes Insekt. Trent fing es elegant mit einer Hand und setzte es auf seinen Kopf, wo es zitternd auf der Stelle blieb.
»Ein Liebeskäfer«, erklärte Trent. »Sie können nicht besonders gut fliegen, und sie hassen das Wasser. Dieser hier wird bei uns bleiben, bis wir aus dem Meer kommen.«
Nun schwammen sie zu dritt auf den Strand zu. Da die See immer noch unruhig war, brauchten sie, erschöpft wie sie waren, eine ganze Weile, aber immerhin wurden sie nicht von weiteren Ungeheuern belästigt. Offenbar wagte sich kein anderer Raubfisch in das Jagdrevier des Seeungeheuers. Das war nur zu verständlich – aber vermutlich würden binnen weniger Stunden ganze Heerscharen aggressiver Wesen dort auftauchen, wenn die Seeschlange nicht zurückkehren sollte. Wie Trent es formuliert hatte: Es gab immer ein natürliches Gleichgewicht.
Als sie in flachere Gewässer kamen, wurde das Leuchten stärker. Zum Teil waren Leuchtfische dafür verantwortlich, die sich mit bunten Lichtsignalen untereinander verständigten, doch zum größten Teil rührte es von dem Wasser selbst her. Da gab es fahlgrüne Wellen, gelbe, orangefarbene – alles war natürlich magisch, aber welchem Zweck diente es? Wo immer Bink hinblickte, überall gab es so vieles, was er nicht verstand. Am Meeresboden erblickte er Muscheln, die zum Teil um die Ränder herum leuchteten, während andere in bunten Mustern glühten. Als er über sie hinwegschwamm, verschwanden einige von ihnen. Er konnte nicht feststellen, ob sie wirklich unsichtbar geworden waren oder lediglich ihre Lichter gelöscht hatten. Aber auf jeden Fall waren es magische Wesen, und das war etwas Vertrautes. Erst jetzt stellte er fest, wie froh er doch war, wieder unter den wohl vertrauten Bedrohungen Xanths leben zu dürfen!
Als sie den Strand erreichten, dämmerte es gerade. Hinter dem Dschungel ging die Sonne auf und durchbrach die Wolken, um ihre Strahlen auf das Wasser zu werfen. Es war ein wunderschöner Anblick. Bink klammerte sich an diesen Gedanken, weil er vor Erschöpfung wie taub war.
Als er schließlich an Land krabbelte, kroch Fanchon neben ihn. »Noch nicht liegenbleiben«, sagte sie. »Wir müssen erst in Deckung, für den Fall, daß andere Ungeheuer kommen, entweder am Strand oder aus dem Dschungel…«
Doch Trent stand bis an die Knie in der Brandung. An seinem prächtigen Körper hing das Schwert herab, und er war offensichtlich nicht so müde wie sie. »Kehre zurück, Freund«, sagte er und schnippte etwas aufs Meer hinaus. Das Seeungeheuer erschien aufs neue, und seine schlangenähnlichen Bewegungen waren im flachen Wasser noch viel eindrucksvoller als auf hoher See. Trent mußte sich eilig verziehen, um nicht von dem peitschenden Schwanz erschlagen zu werden.
Aber das Ungeheuer war jetzt nicht mehr an Ärger interessiert. Es war ziemlich vergrätzt, stieß einen Schrei aus, der von Wut, Schmerz oder auch nur blankem Erstaunen herrühren mochte, und schwamm peitschend in tiefere Gewässer hinaus.
Trent kam an den Strand. »Es ist nicht besonders amüsant, ein hilfloser Liebeskäfer zu sein, wenn man gewöhnt ist, König der See zu spielen«, meinte er. »Ich hoffe nur, daß das Tier keinen Nervenzusammenbruch erleidet.«
Er sagte es ohne jedes Lächeln. Es war etwas Merkwürdiges an diesem Mann, dachte Bink, der Ungeheuern eine solche Liebe entgegenbrachte. Aber schließlich war Trent ja der Böse Magier der Gegenwart schlechthin. Er wirkte seltsam anziehend, er hatte Manieren und war gebildet, er war kräftig, geschickt und mutig – doch Ungeheuer standen ihm näher als Menschen. Es könnte in einer Katastrophe enden, wenn man das jemals vergessen sollte.
Es war doch seltsam, daß Humfrey der Gute Magier ein häßlicher kleiner Gnom war, der in seinem verbotenen Schloß seine Magie selbstsüchtig dazu einsetzte, sich zu bereichern, während Trent aus dem Stoff geschaffen war, aus dem man Helden machte. Die Zauberin Iris hatte schön und sexy ausgesehen, war aber in Wirklichkeit ziemlich farblos gewesen. Humfreys gute Eigenschaften wurden in seinen Taten offenbar, wenn man ihn erst einmal kannte. Doch Trent hatte sich, zumindest was die rein persönliche Ebene anging, bisher gut verhalten und auch einen solchen Eindruck gemacht. Wenn Bink ihm zum erstenmal in der Krakenhöhle begegnet wäre, ohne etwas von der bösen Natur des
Weitere Kostenlose Bücher