Chamäleon-Zauber
also überlebt. Im nachhinein wußte Bink nicht mehr so recht, ob er sich mehr vor dem Gespenst oder vor dem Magier gefürchtet hatte. Noch immer wußte er von beiden nicht genau, was sie eigentlich zu ihrem Tun bewegte.
Und Fanchon – als es heller wurde, war er überzeugt, daß sich ihr Aussehen wesentlich gebessert hatte. Man konnte zwar beim besten Willen nicht behaupten, daß sie wunderschön war, aber auf jeden Fall war sie nicht mehr das häßliche Mädchen, das er vor vier Tagen kennengelernt hatte. Sie erinnerte ihn sogar an irgend jemanden…
»Dee!« rief er.
Sie wachte auf. »Ja?«
Ihre Reaktion erstaunte ihn genausosehr wie die schwache
Ähnlichkeit. Er hatte sie Dee genannt, aber Dee war doch
irgendwo anders in Xanth. Warum hatte sie dann auf diesen Namen reagiert, als sei er ihr eigener? »Ich… ich dachte gerade… daß du…«
Sie setzte sich auf. »Natürlich hast du recht, Bink. Ich wußte, daß ich es nicht viel länger würde verheimlichen können.«
»Du meinst, du bist tatsächlich…«
»Ich bin Chamäleon«, sagte sie.
Jetzt war er vollends verwirrt. »Das war doch nur ein Kennwort, das wir benutzt haben, um uns gegenseitig zu warnen…«
Und ein Omen…
»Ich bin Fanchon, die Häßliche«, sagte sie. »Und Dee, die Durchschnittliche. Und Wynne, die Schöne. Ich verändere mich jeden Tag ein bißchen. Der Zyklus dauert einen Mondmonat lang, genau wie der weibliche.«
Jetzt fiel ihm wieder ein, daß Dee ihn ja auch an jemanden erinnert hatte. »Aber Wynne war dumm! Du…«
»Meine Intelligenz verändert sich im umgekehrten Verhältnis dazu«, erklärte sie. »Das ist ein weiterer Aspekt meines Fluchs. Ich habe ein Spektrum von schöner Idiotie bis zu häßlicher Intelligenz. Ich war auf der Suche nach einem Zauber, der mich normal macht.«
»Ein Chamäleon-Zauber«, sagte er nachdenklich. Was für eine seltsame Verzauberung! Und doch mußte es wahr sein, denn erhatte ja selbst die Ähnlichkeit bei Dee festgestellt, als er ihr, unweit der Stelle, wo er Wynne verloren hatte, begegnet war, und nun hatte er Tag für Tag mit angesehen, wie Fanchon sich verändert hatte. Chamäleon – sie besaß kein magisches Talent, sie war ein magisches Wesen, genau wie die Zentauren oder Drachen. »Aber warum bist du mir ins Exil gefolgt?«
»Außerhalb von Xanth funktioniert die Magie nicht. Humfrey hat mir gesagt, daß ich mich nach und nach auf einen Normalzustand einpendeln würde, wenn ich nach Mundania ginge.
Dort würde ich auf alle Zeiten Dee sein, völlig durchschnittlich also. Das erschien mir als die beste Lösung.«
»Aber du hast doch gesagt, daß du mir gefolgt bist.«
»Das bin ich auch. Du warst freundlich zu Wynne. Mein Verstand mag sich zwar wandeln, aber mein Gedächtnis nicht. Du hast sie unter Lebensgefahr vor dem Spaltendrachen gerettet, und du hast es nicht ausgenutzt, als sie… du weißt schon.« Bink erinnerte sich daran, wie gern sich das schöne Mädchen ausgezogen hätte. Sie war zu dumm gewesen, um sich über die Konsequenzen im klaren zu sein, aber Dee und Fanchon hätten das später sicherlich erfaßt. »Und jetzt weiß ich auch, daß du versucht hast, Dee zu helfen. Sie… ich hätte dich damals nicht abblitzen lassen sollen, aber damals waren wir ja auch nicht so schlau wie jetzt. Und wir kannten dich ja auch noch nicht so gut. Du…« Sie brach ihren Satz ab. »Spielt ja keine Rolle.«
Und ob es eine Rolle spielte! Sie war nicht nur eines, sondern gleich drei der Mädchen, denen er begegnet war, und eines davon war betörend schön gewesen. Allerdings auch dumm. Wie sollte er denn nun darauf reagieren, auf dieses… dieses Chamäleon?
Wieder einmal das Chamäleon, die magische Echse, die ihre Farbe und Gestalt willkürlich veränderte und andere Wesen nachäffte. Wenn er doch nur dieses Omen vergessen könnte! Er war überzeugt davon, daß dieses Chamäleon ihm keinen Schaden zufügen wollte, aber auf der anderen Seite konnte sie genausogut sein Tod sein. Ihre Magie geschah unwillkürlich, aber sie beherrschte ihr Leben. Gewiß, sie hatte ein Problem – aber er hatte nun auch eines.
Sie hatte also erfahren, daß er wegen Mangels an magischem Talent ins Exil geschickt werden sollte, und hatte ihre Entscheidung gefällt. Dee ohne Magie. Bink ohne Magie – zwei gewöhnliche Menschen mit gemeinsamen Erinnerungen an das Land der Magie, die vielleicht das einzige gewesen wären, an das sie sich im gefürchteten Mundania hätten klammern können. Zweifellos
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