Chamäleon-Zauber
hatte sie sich das in ihrer klugen Phase ausgedacht. Was für ein Paar hätten diese beiden entzauberten Seelen abgeben können! Also war sie zur Tat geschritten, hatte aber nichts von dem Hinterhalt des Bösen Magiers wissen können.
Es war eine gute Idee gewesen. Bink mochte Dee. Sie war nicht so häßlich, als daß sie ihn abgestoßen hätte, und nicht so blendend schön, um ihn nach seinen Erfahrungen mit Sabrina und der Magierin Iris mißtrauisch zu machen (was war nur mit schönen Frauen los, daß sie nie beständig sein konnten?), aber auch nicht so dumm, um die ganze Angelegenheit sinnlos werden zu lassen. Es wäre einfach ein vernünftiger Kompromiß gewesen, ein durchschnittliches Mädchen, das er hätte lieben können, besonders in Mundania.
Aber nun waren sie beide wieder in Xanth, und ihr Fluch trat erneut in Kraft. Sie war nicht die schlichte Dee, sondern die komplizierte Chamäleon, die von Extrem zu Extrem pendelte, auch wenn sie sich nur nach Durchschnittlichkeit sehnte.
»Ich bin noch nicht wieder so dumm, um nicht zu merken, was jetzt in deinem Kopf vorgeht«, sagte sie. »In Mundania würde es mir besser gehen.«
Das konnte Bink nicht leugnen. Jetzt wünschte er sich fast, daß es doch so gekommen wäre. Sich mit Dee niederzulassen, eine Familie zu gründen, das hätte doch gut seine eigene Form der Magie werden können.
Plötzlich hörten sie ein Krachen und zuckten zusammen. Es war irgendwo von oben gekommen.
»Trent steckt in Schwierigkeiten!« sagte Bink und packte seinen Stock, um in die Halle hinauszulaufen. Er merkte mit halbem Bewußtsein, daß diese Reaktion ein Zeichen dafür war, daß sich seine Einstellung zu dem Magier verändert hatte. Die vergangene Nacht, das Schwert, der schlafende Mann – wenn man das Böse nur nach seinen Taten beurteilen durfte, dann konnte Trent nicht besonders böse sein. Vertrauen erzwang Gegenvertrauen. Vielleicht hatte der Magier ja auch nur versucht, Binks Einstellung zu verändern. Wie dem auch sein mochte, geändert hatte er sie jedenfalls.
Chamäleon folgte ihm. Es war inzwischen hell geworden, und sie brauchten sich wegen irgendwelcher Falltüren keine Sorgen mehr zu machen, obwohl es natürlich immer noch magische Fallen geben konnte. Am Ende eines palastähnlichen Raumes erblickten sie eine weitgeschwungene große Steintreppe und liefen sie empor.
Plötzlich erschien ein Gespenst vor ihnen. »Uuuuuh!« stöhnte es und starrte sie mit leeren Augensockeln an, die so aussahen wie die Löcher in einem dunklen Sarg.
»Geh mir aus dem Weg!« fauchte Bink und schlug mit seinem Stock auf die Erscheinung ein. Verblüfft verschwand dasGespenst. Bink rannte durch seine hauchdünnen Überreste und spürte einen Augenblick seine eisige Gegenwart. Trent hatte recht: das Nichtstoffliche brauchte man nicht zu fürchten.
Die Stufen waren alle fest und solide. Anscheinend gab es außer harmlosen Spukgeistern keine Illusionen in dieser alten Burg. Das war immerhin etwas.
Doch oben herrschte dumpfes Schweigen. Sie schritten durch erstaunlich luxuriöse, guterhaltene Räume und Kammern und suchten ihren Gefährten. Normalerweise hätte Bink die Ausstattung der Räume und Hallen mit ihren zahlreichen Wandbehängen bewundert und sich über das heile Dach gefreut, das ihnen Schutz vor Wind und Wetter geboten hatte, doch im Augenblick hatte er nur eine Sorge: Was war Trent zugestoßen? Wenn in diesem Schloß ein Ungeheuer lauern und seine Opfer mit magischen Mitteln anlocken sollte…
Da entdeckten sie eine Bibliothek, deren Regale mit dicken alten Büchern und Pergamentrollen gefüllt waren. An einem polierten Holztisch mitten im Raum saß Trent und studierte ein geöffnetes Buch.
»Jetzt hat ihn wieder ein Gucklochzauber erwischt!« rief Bink.
Doch Trent hob den Kopf und sagte: »Nein, nur der Wissensdurst, Bink. Das hier ist faszinierend.«
Sie blieben ein wenig verlegen stehen. »Aber das Krachen…« begann Bink.
Trent lächelte. »Das war meine Schuld. Der alte Stuhl dort ist unter meinem Gewicht zusammengebrochen.« Er zeigte auf einen Haufen Holzstücke. »Viele dieser Möbel sind ziemlich wacklig. Ich war so in diese Bibliothek vertieft, daß ich einfach nicht mehr daran gedacht habe.« Er rieb sich seinen Rücken. »Und bezahlen mußte ich auch dafür.«
»Was ist denn an diesen Büchern so faszinierend?« fragte Chamäleon.
»Dieses hier ist eine Chronik der Burg«, erklärte Trent. »Offenbar ist das hier nicht irgendeine Burg. Es ist Schloß
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