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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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kann.«
    »Thomas ist bei dir?«
    »Ja, er übt hier schon mal, wie man Wein probiert, ohne betrunken zu werden.«
     
    Thomas hatte zusammen mit Madame Goutorbe, die auch Deutsch sprach, die Probe vorbereitet. Das Haus bot sechs verschiedene Champagner an, von der Hausmarke Cuvée Tradition über einen Brut Rosé bis zum Spécial Club Millésime. Mit diesen Namen ließ sich ein wenig mehr anfangen als mit den hochtrabenden Bezeichnungen wie Brut Royal und Apanage, mit Dry Elixir, Springtime und Wintertime. Da erschloss sich keinerlei Inhalt. Philipp erinnerte sich an eine Champagnerprobe in New York, bei der eintausend verschiedene Marken probiert worden waren. Er hätte da nicht mithalten wollen, er wäre verrückt geworden. Die sechs Flaschen vor ihm reichten völlig.
    Sie prüften zuerst den Schaum im Glas, seine Feinheit und wie schnell er sich legte. Danach kamen die Farben an die Reihe, wobei es Differenzen in der Beurteilung der Gelb-und Grüntöne gab. Anschließend beurteilten sie den Duft, und es entspann sich eine Diskussion, ob es sinnvoll sei, sich auf die einzelnen Aromen zu konzentrieren oder den Gesamteindruck stärker zu bewerten. Philipp hielt sich ungern beim Erbsenzählen auf, denn das taten Weintrinker auch nicht. Ein Wein gefiel – oder eben nicht. Sie beobachteten die Perlung, ob die Bläschen groß oder klein waren, und wie sie an einer unsichtbaren Schnur senkrecht an die Oberfläche stiegen. Die Struktur war wichtig, das Volumen, die Harmonie von Süße und Säure, und Philipp stimmte Thomaszu, dass die Beurteilung von Champagner, von Sekt und Crémant oder Cava bedeutend schwieriger war als die von Wein.
    Siedend heiß fiel ihm ein, dass er zu Hause drei offene Flaschen im Klimaschrank zurückgelassen hatte: Es waren zwei wunderbare Sekte, Riesling und Chardonnay, vom Weingut St. Laurentius, und ein Cremant. Der Winzer, Klaus Herres, hatte im Fernsehen mitbekommen, dass der Bundespräsident bei einem Empfang Champagner angeboten hatte. Daraufhin hatte Herres ihn angeschrieben und gefragt, ob er glaube, dass sein französischer Kollege bei Empfängen deutschen Sekt anbieten würde. So war er eingeladen worden, Proben zu schicken, und damit war er zum Hoflieferanten des Bundespräsidenten aufgestiegen. Diese drei vorzüglichen Schaumweine würden bei der Rückkehr nach Köln, wann immer das sein würde, leider nicht mehr genießbar sein.
    »Wieso schreibst du dir nicht auf, was du siehst, riechst und schmeckst?«, fragte Philipp und schob Thomas einen Block und einen Kugelschreiber zu. »Heute nimmst du einen Wein auf diese Weise wahr, morgen anders, es kommt auf deine Gesundheit an, auf das, was du vorher gegessen hast und woran dich ein Wein erinnert. Wann willst du mit der Lehre anfangen?«
    »Mach keinen Stress, Philipp, ich werde mir das merken.«
    »Wenn das Jahr herum ist, wirst du einige hundert Weinproben hinter dir haben, wenn du deinen zukünftigen Beruf ernst nimmst. Und du glaubst, du kannst dir alles merken?«
     
    Als Philipp sah, dass Thomas, kaum benutzte er die rechte Hand, sich den Schmerz verbiss, war der Arztbesuch nicht länger aufzuschieben. Madame Goutorbe empfahl ihnen einen Orthopäden in Épernay, der Notdienst hatte. Philipp erinnerte sich nicht, wann er seinen Sohn zuletzt zum Arzt begleitet hatte.
    Als eine Frau mit einem Kopftuch das Wartezimmerbetrat, fasste Thomas sich an den Kopf. »Papa, du hattest mir aufgetragen, bei Frau Öztarhan anzurufen, damit sie sich ums Haus kümmert.«
    »Du hast es vergessen?«
    »Nein, aber dir zu erzählen, was sie gesagt hat. Sie war tierisch unfreundlich, echt krass, sie wollte kaum ein Wort sagen.«
    »Hat Frau Öztarhan einen Grund für ihren Sinneswandel genannt? Bisher war sie zufrieden.«
    Thomas brauchte einen Moment für die Antwort. »Ich verstehe das Katastrophendeutsch der Frau ja kaum. Zuerst hat sie herumgedruckst, sie hat davon gefaselt, dass sie mit irgendwelchen Leuten nichts zu tun haben wollte, ich weiß nicht, ob sie uns meinte, und dann war ihr Mann plötzlich schuld, er habe ihr verboten, dass sie weiter bei uns arbeitet.«
    »Und was ist mit dem Hausschlüssel?«
    »Den hat sie angeblich in den Briefkasten geworfen.«
    Dann hatte nicht nur Helena einen Schlüssel. »Aber – wie sollte Langer an den rankommen?«
    Thomas verstand sofort, worauf sein Vater hinauswollte. »Er wusste, dass sie bei uns arbeitet, Papa. Sie hat auf deine Vermittlung hin mal bei euch in der Firma ausgeholfen, daher wird er ihre

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