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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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Köchin oder gar als Reinemachefrau. Die konnte er sich glücklicherweise leisten.
    Als sein Taxi kam, gab er dem Fahrer einen Zehn-Euro-Schein und schickte ihn wieder weg. Das war ihm eine halbe Stunde am Rheinufer allemal wert. Er liebte Flüsse wie die Gironde, die Loire, die Donau und den Rhein, sein bisher unerfüllter Traum war es, den Amazonas vom Atlantik bis hinauf zur Quelle in den Anden zu fahren. Vielleicht hattenMark Twain und sein Huckleberry Finn mit dem Mississippi den Grundstein für diese Sehnsucht gelegt. Salzwasser empfand er als aggressiv, starker Wellengang nagte aus unerfindlichen Gründen an seinem Inneren wie das Meer an einer Küste, von der es immer wieder Stücke abbrach und sie verschlang. Ein Fluss war wie das Leben, wie die Menschen und Ereignisse, denen man darin begegnete: Etwas tauchte auf, eingebettet in die Ufer, kam nahe, trieb langsam vorbei, sodass man es erkennen konnte, und verschwand allmählich. Das Meer hingegen trennte, es war endgültig, absolut und unüberwindlich.
    Heute floss der Rhein gemächlich, Philipp setzte sich auf eine Bank, der strahlende Himmel des Vormittags hatte sich bezogen, Schleierwolken ließen auf starke Höhenwinde schließen, sicherlich die Vorboten weiterer Schauer. Am Morgen hatte er gelesen, dass Hagelschauer im Bordelais großen Schaden angerichtet hatten. Nach ersten Schätzungen sollten 20.000   Hektar Rebland betroffen sein. Die Hagelkörner zerschlugen die jungen Triebe, die Blüten und Blätter, da bildeten sich keine Trauben mehr, und die angeschlagenen Blätter welkten und fehlten zur Photosynthese, die nötig war, damit sich überhaupt Zucker in den Beeren anreicherte. Hoffentlich war Martin Bongers nicht betroffen, ein ehemaliger Kunde, den Philipp aus dessen Zeit als Frankfurter Weinhändler kannte. Heute betrieb er in Saint-Émilion ein kleines Weingut. Seinen Pechant, einen großartigen
vin du garage,
hätte Philipp zu gern in seinem Angebot gehabt, aber die geringen Mengen waren sofort an Liebhaber verkauft. Philipp konnte froh sein, wenn er für seinen eigenen Weinkeller eine Sechserkiste bekam. Angeblich hatte Bongers Land zugekauft, vielleicht würde das den Mangel beenden. Die Hagelschäden waren beträchtlich, sie führten zu steigenden Preisen, dabei hatte der Sommer nicht einmal begonnen, und der Klimawandel war eine weitere bedrohliche Variable.
    Er vollzog sich nicht nur beim Wetter, sondern auch in der Wirtschaft. Es war an den Zahlen abzulesen, die latente Unruhe war deutlich. Unter den Kollegen war ein Gefühl spürbar, dass man das dicke Ende der Krise erst erwartete. Auch das Klima zwischen ihm und Langer hatte sich gewandelt. Hatte Langer ihn angelogen?
    Diese Fondsgeschichte jedoch machte Philipp weniger Sorge als die Umstrukturierung der Firma, die Aufnahme weiterer Länder ins Angebot, womöglich irgendwann auch noch Wein aus Übersee. Sie würden ihren Status als Spezialisten aufgeben und mit allen anderen Großhändlern konkurrieren, ihr Angebot würde verglichen. Ein gleichwertiges Angebot an Weinen aus anderen Ländern aufzubauen würde Jahre dauern – vorausgesetzt, Langer wollte das Niveau halten. Das war immer Philipps Bestreben gewesen, wirklich gute Weine zu finden, die man sich leisten konnte. Wachstum in der Qualität und nicht in der Menge, denn in ihr ging man unter. Teure Weine für Leute, denen fünfzig Euro für die Flasche nicht wehtaten, gab’s genug, das hatte die Weinkarte des Restaurants eben wieder gezeigt. Der billigste Champagner kostete sechsundachtzig Euro, berühmte Italiener wie Gaia und Ornellaia wurden für Hundert angeboten.
    Wie weit waren Langers Pläne fortgeschritten? Philipp stand auf und ging zur Uferstraße, von wo er per Mobiltelefon ein Taxi bestellte. Während er auf den Fahrer wartete, ließen ihn die Gedanken an Langer nicht los. Hatte er bereits konkrete Maßnahmen eingeleitet?
    Es wurde Zeit, in die Firma zurückzukehren. Sie war für Philipp seit einem Jahrzehnt ein Hafen, in den er von seinen Reisen zurückkehrte und stets Neues mitbrachte. Diesen Hafen wollte er sich nicht zuschütten lassen, nicht einmal von Langer, und in diesem Hafen, der bisher sicher gewesen war, lagen weitere Schiffe. Sah er sich gezwungen, für eine Firma zu kämpfen, die nicht einmal ihm gehörte? Mussteer, um sich zu retten, fremdes Eigentum verteidigen, sogar gegen den Besitzer? Sie waren insgesamt dreißig gegen einen, die gesamte Belegschaft gegen den Chef?
    Das Taxi kam nicht, und

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