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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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fand es komisch, dass er sich das fragte. In Köln hatte sie sich oft in sein Denken gedrängt. Er konnte sich Helena ins Gedächtnis rufen, sie vor seinem geistigen Auge erstehen lassen, aber daneben tauchte Langer auf, und ihn störte ihre Nähe zum Chef.
    Der über die Welt gezogene grau-feuchte Schleier verdüsterte seine Laune weiter. Yves hätte es einen Anfall deutscher Schwermut genannt.
    Der Ober bediente am Nebentisch, und um ein Haar wäre ihm ein voller Teller mit dem Hauptgericht von der Hand gerutscht. Hätte der Inhaber des »Hirschen« ihm verziehen oder einen Strich mehr auf der Liste gemacht, bis die Abmahnung fällig war? Philipp bemerkte, dass eine Unebenheit im Boden mit einem Teppich kaschiert worden war und der Ober kurz um sein Gleichgewicht gekämpft hatte.
    Der Markt verzeiht nie – das war einer jener dummen Sprüche, den Langer bei einem Essen mit Geschäftsfreunden aufgeschnappt hatte, bei dem auch er anwesend gewesen war. Was für ein Unsinn. Stell dir vor, es ist Kapitalismus – und keiner macht mit. Eigentlich eine schöne Parole, nicht so einfältig wie die der politischen Parteien, obwohl er sich an eine erinnerte, die ihn hatte schmunzeln lassen, obwohl er nicht mehr wählen ging: Reichtum für alle. Das war’s!
    Dieser Touraine stahl ihm die Zeit, nur leider kam er ohne ihn nicht weiter. Also musste er sich arrangieren. Ob Touraine vom Fach war, würde Yves für ihn herausfinden. Er kannte hier Gott und die Welt, was ein großer Vorteil war, und seine Interessenlage war klar. Yves war niemandem verpflichtet, nicht einmal France-Import.
    Wie die technische Abwicklung beim Champagner-Fonds vonstatten gehen sollte, war Philipp völlig unklar. Bereits existierende Weinfonds kauften den Wein, natürlich Roten und nur die Edelmarken, ließen ihn lange genug liegen und warteten, dass die Preise stiegen. Dann wurden die Flaschen verkauft.
    Aber Champagner war etwas anderes. Die Crux war der langwierige Entstehungsprozess mit der schrittweisen Abfolge kellertechnischer Maßnahmen.
    Philipp nahm das Glas in die Hand und betrachtete die wie an einer Schnur aufsteigenden Perlen. Der Champagner war inzwischen warm geworden, zu warm zum Trinken, nicht aber zum Analysieren. Er ließ sich die Flasche zeigen. Es war ein Blanc de Blancs, nur Chardonnay, leicht und blumig, er schmeckte etwas Hefe und eine angenehme Mineralität. Die schätzte er am Blanc de Blancs besonders. Um diesen hier zu trinken war er wirklich zu warm, und Philipp bat um ein zweites Glas.
    Immer wieder identische Zusammenstellungen zu erreichen oder denselben Geschmack auf unterschiedliche Weise zu erzielen war eine Kunst. Ein Chef de Cave brauchte viele Jahre, um diese Fertigkeit zu erlangen.
    Die Tische im »Grand Cerf« waren kaum besetzt. Philipp sah, dass trotzdem neben allen das Gestell für den Sektkühler stand. Bei der ersten Reise in die Champagne hatte er sich gewundert, dass überall Champagner getrunken wurde, sogar als Begleiter unterschiedlichster Speisen. Er hatte den Ober nach dem Grund gefragt.
    »Monsieur, trinken Sie zu Hause nicht auch das, was Sieim Keller haben? Und da wir hier zu Hause sind, so nehmen wir das, was in unserem Keller liegt – und das ist Champagner.«
    Das waren beinahe Madame Delaunays Worte. Aber Philipp trank ihn natürlich nicht zu Wild oder Rinderbraten, außer vielleicht einen kräftigen Rosé. Besser passte er zu pochiertem Fleisch und Geflügel, natürlich zu Schalen- oder Krustentieren (er sollte sich demnächst mal wieder eine Portion Austern bestellen). Leider empfand er die aus dem Atlantik als fad, seit er die von Chiles Pazifikküste probiert hatte. Die aus Galizien an der spanischen Atlantikküste gefielen ihm auch besonders gut – und dazu gehörte ein gekühlter Albarinho, möglichst noch von Bodegas Terras Gauda, da war das Vergnügen komplett. In Frankreich bevorzugte er zu Austern einen Muscadet aus der Gegend von Nantes.
    Bei Champagner trat der gleiche Effekt wie bei allen besonderen Genüssen ein: Kannte man erst einmal das Bessere, verschmähte man das weniger Gute. Aber solange er sich knusprigen Bratkartoffeln mit Brathering und einem herben Pils nicht verschloss, fürchtete Philipp nicht um seine Bodenhaftung. Er merkte, dass er beim Champagnertrinken an die Arbeit dachte. Auch der Ober bemerkte seine Lustlosigkeit und fragte leicht indigniert, ob es ihm nicht schmecke. Philipp wies das strikt von sich, aber eigentlich aß er, um sich die Wartezeit zu

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