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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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vorgegeben. Philipp rief ihn an und berichtete von der Verzögerung.
    »Unter der Rufnummer, die Sie mir gaben, ist Touraine nicht erreichbar. Wieso ist er nicht hier? Niemand weiß, dass ich komme, dabei haben Sie mir gesagt, Touraine sei informiert, und jetzt lässt man mich nicht einmal   ...«
    Langer unterbrach ihn: »Ruhig Blut, Achenbach. Ich treibe ihn auf! Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich melde mich in Kürze. Oder er ruft Sie an. Gehen Sie inzwischen essen, auf meine Kosten, und trinken Sie ein Glas Champagner.«

7
    Auf dem Weg zum Wagen drehte Philipp sich noch einmal um. Seinem ersten Eindruck, auf den er sonst sehr viel gab, traute er heute nicht. Nieselregen hatte auch über seine Wahrnehmung und seine Laune einen grauen Schleier gezogen. Was an sonnigen Tagen strahlend hell und spielerisch wirkte, wurde bei Regen düster und schwer, so wie diese unfreundliche Großkellereianlage in seinem Rücken, und er erinnerte sich an die Trostlosigkeit der Soldatenfriedhöfe in den Ardennen. Und was hier unter der Erde lag beziehungsweise in den Kalkstollen, entzog sich einstweilen seiner Beurteilung.
    Bei Regen verloren auch die Weinberge rings um das Dorf Montchenot ihre Anziehungskraft und jeglichen Charme. Heute draußen zu arbeiten ist eine Strafe, dachte Philipp beim Anblick einiger Arbeiter in Ölzeug, aber wenn er dort draußen wäre, angezogen wie sie, dann wäre das eigene Weingut längst Wirklichkeit.
    Er sah, wie sich ein Motorradfahrer an der Einfahrt zum Hof den Helm aufsetzte. Seine Montur würde ihn zwar vor dem Wetter schützen, trotzdem musste es ekelhaft sein, mit Regentropfen auf dem Visier fahren zu müssen. Glücklicherweise war Thomas nie auf die Idee gekommen, sich dieser Art von Adrenalinrausch hingeben zu wollen. Auch seine Begeisterung für den 1.   FC Köln hielt sich in Grenzen. Möglicherweise lag es daran, dass der Vater nicht zu denLeuten gehörte, die sich am Wochenende die Sportschau gaben und ihre Kinder in Vereinstrikots in die Schule schickten. Philipps liebste Sportsendung war die Tour de France – der Tross bewegte sich zu Erde und in der Luft durch Landschaften, die er kannte, berührte Orte, in denen er übernachtet hatte, und führte durch Weinberge, deren Weine sie ihren Kunden anboten.
    Auf dem kurzen Weg zur Nationalstraße bedauerte er noch einmal den Motorradfahrer hinter sich und dachte daran, die Wartezeit im »Le Grand Cerf« totzuschlagen. Große Lust aufs Essen hatte er nicht, er kochte lieber selbst oder aß bei Madame Delaunay. Sie verwendete weder Geschmacksverstärker noch Antioxidationsmittel, sie kaufte bei den Bauern der Region ein. Seit dem allergischen Anfall eines Kollegen in einem Edelrestaurant mied er möglichst fremde Küchen. Außerdem machten ihm die vielen Aufsteiger und Sieger, die zahllosen Newcomer und Shootingstars des Schaumlöffels und der Molekularküche zu viel Theater. Ein gut inszeniertes Stück sah er sich lieber im Schauspielhaus an.
    Aber den »Großen Hirschen« musste er ausprobieren, viele Kunden fragten ihn nach Empfehlungen. Das Sterne-Restaurant lag gleich hinter der Kreuzung an der Nationalstraße in Montchenot. Es hatte wenig mit einem deutschen Hirsch gemein, ein Jäger- oder Zigeunerschnitzel würde sich kaum auf der Speisekarte finden.
    Das Restaurant hatte Philipp von der letzten Reise her in guter Erinnerung. Er hatte versucht, einen Kaffee aufzutreiben, um nach einer ausgiebigen Champagnerprobe wieder einen klaren Kopf zu bekommen, und man hatte ihm, obwohl man dort Kaffee nur nach dem Diner servierte und der Speisesaal bis auf den letzten Platz besetzt gewesen war, entgegen allen Regeln im Foyer einen ausgezeichneten Kaffee serviert, dazu noch gratis. »Behalten Sie uns in guter Erinnerung«, hatte es geheißen, und genau das hatte er getan.
    So setzte er sich in den Wintergarten und schaute missmutig ins tropfnasse Grün, sah den Regen an den Scheiben herabrinnen und wunderte sich, dass ihm Helena nicht fehlte. Er bestellte missmutig ein Menü und verweigerte die Champagnerkarte. Er wollte zum Hauptgang lediglich ein Glas der Hausmarke trinken, gab sich bis dahin mit Wasser zufrieden und war versucht, die Tropfen zu zählen, die von der Kante des Glasdachs draußen in den Kies fielen. Wieso fehlte ihm Helena nicht? Sollte sie ihm fehlen? Nein. Es war seinem Seelenfrieden zuträglicher, auf der Reise nicht an sie zu denken und sich auf die Menschen hier einzulassen. War er nicht in sie verliebt? Doch   ... aber er

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