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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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Kellermeisters. Hier traf sie Paillard.
    Bei früheren Besuchen hatte Philipp in den
crayères
Flaschen gesehen, die bereits seit zwanzig oder dreißig Jahren dort lagerten. Auf einer der Schiefertafeln, die das jeweilige Datum der Abfüllung trugen, hatte er sogar sein Geburtsjahr entdeckt. Diese Flaschen standen auf dem Kopf, die Hefe war auf den Korken gesunken, es kam zu keiner Reaktion mehr mit dem Wein. Sie warteten darauf, degorgiert zu werden. Wie ein solcher Champagner schmeckte, interessierte ihn brennend, er hatte nur einen probiert, der älter als zehn Jahre alt war. Und der war großartig gewesen.
    Zur Vorbereitung des Degorgierens wurden die Flaschen bruchsicher in Drahtkörben zusammengepackt und diese von Maschinen in immer weiter gedreht und dabei ständig weiter geneigt, bis sie senkrecht standen. Auf diese Weise sanken die abgestorbenen Hefen in Richtung Flaschenhals. Der Prozess dauerte eine Woche. Yves hingegen machte es von Hand und brauchte sechs Wochen dafür.
    »Ich gehe dann mal ein bisschen meditieren«, pflegte erscherzhaft zu sagen und verschwand im Keller, drehte die in Löchern steckenden Flaschen 45   Grad um die eigene Achse und stellte sie ein wenig steiler. Er kam dann nach einer Stunde fröstelnd und stöhnend und mit krummem Rücken wieder ans Tageslicht. »Die Profis sollen früher 40.000 pro Tag geschafft haben! Das ist meine ganze Jahresproduktion.«
    Während Philipp Paillard hinauf in den Probierraum folgte, vibrierte sein Mobiltelefon. Auf dem Display erschien Langers Nummer.
    »Es ist alles geregelt«, sagte Langer kurz angebunden. »Ich habe Mister Goodhouse in Brüssel erreicht. Touraine kommt erst morgen in die Champagne. Er wird Ihnen alles zeigen.«
    »Ich weiß nicht, ob ich dann bis zum Wochenende alles gesehen habe, was nötig wäre   ...«
    »Sie sollen dort keine Doktorarbeit schreiben, Achenbach. Aber wenn Sie meinen – nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen. Sehen Sie sich das Nötigste an, wir wollen eine fundierte Entscheidung auf der Basis sicherer Informationen treffen.«
    Philipp staunte über den freundlichen Ton. War das wieder der Langer, den er kannte? Wenn Touraine erst morgen kam, konnte er heute nicht im »Hirschen« essen, oder? In Gedanken versunken runzelte er die Stirn, als er das Telefon einsteckte, was Paillard nicht entging.
    »Probleme?«
    »Nein, nur Lösungen, aber   ... es gibt Fragen zu klären, und deshalb bin ich auch bei Ihnen. Sie sagen selbst, dass der Champagner nach dem Degorgieren ruhen sollte. Sie liefern ihn frühestens vier Monate danach aus   ...«
    »Das ist richtig, das machen wir so. Er muss sich nach der Dosage erst erholen, harmonisieren.«
    »Und man soll ihn dann im Laufe der nächsten drei Jahre trinken?«
    Sie waren vor dem Probierraum angekommen, Paillardließ Philipp den Vortritt. Es war ein heller, großer Raum mit einem Tisch für mindestens zehn Personen. Paillard entnahm dem Klimaschrank eine Flasche und öffnete sie.
    »Ich werde Ihnen zeigen, dass das so nicht stimmt.«
    Er nahm größere und bauchigere Gläser als normale Sekt- oder Champagnergläser, sie waren nach oben hin enger als in der Mitte, damit sich die Aromen entfalteten und hielten. Zuerst schenkte Paillard einen Brut in die Gläser, der bereits vor sechs Jahren degorgiert worden war. Allein beim Duft wurde Philipp mal wieder klar, weshalb von »Wein« die Rede war und weniger von »Champagner«. Dieser hier, eine Cuvée der drei Rebsorten, tendierte wesentlich mehr zu einem Wein als zu dem, was man sich unter Champagner vorstellte.
    Da waren Aromen von Mandeln, kandierten Orangen und Honig, die Farbe war dunkler, dieser Champagner entsprach einem reifen und komplexen Weißwein, was er im Grunde auch war, zusätzlich veränderten Kohlensäure und Hefe den Geschmack. Aber es gab auch Stillweine wie den Muscadet, der auf der Hefe reifte –
sur lie
, wie es hieß. Um den Unterschied deutlich zu machen, probierten sie einen jungen Champagner. Der war spritzig und fruchtig, entfaltete ein Zitrusaroma, ein Hauch von Himbeere kam dazu, und dann hatte Philipp wieder für einen kurzen Moment die Sensation von Kalk und Kreide in der Nase. Das war es, was die Kundschaft wollte, aber keine gealterten Champagner, obwohl sie eine ganz andere Fülle und Kraft aufwiesen. Leicht, locker und lustig musste es zugehen, Spaß haben, bis zum Umfallen, es musste prickeln, perlen und schäumen. Die nächste Probe, vor zehn Jahren degorgiert, war etwas für

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