Champagner-Fonds
in der Wolke wie hinter einem Rasenmäher herging, saß der Fahrer des Traktors in einer Glaskuppel hoch darüber.
Er wird für ein großes Champagnerhaus arbeiten, das sich derartige Maschinen leisten kann. Der Mann mit dem Mundschutz, mit dem Philipp keinesfalls hätte tauschen wollen, war einer der vielen Weinbauern, die ihre zwei Hektarselbst bearbeiteten und die Trauben verkauften. Es war ein mühseliges Geschäft.
Philipp rief Langer an, aber er bekam Helena an den Apparat und war befangen. Lag es daran, dass sie sich noch nicht so lange kannten oder an ihrer Nähe zu Langer? Jedenfalls erzählte er ihr nichts von seinen Schwierigkeiten, sondern blieb allgemein, ja er plapperte vor sich hin. Aus Verlegenheit sprach er von den Spritzmitteln, fragte, ob ihr Vater am Kaiserstuhl auch 8.000 Rebstöcke je Hektar pflanzte, und bevor eine peinliche Pause auftrat, da er nichts Persönliches zu sagen hatte, fragte er nach Langer.
»Der ist heute nach Brüssel geflogen.«
»Was will er denn in Brüssel?«
Helena lachte, denn sie hatte Philipps Verblüffung bemerkt. »Das kann ich dir auch nicht sagen, mein Lieber. Irgendetwas mit dem Fonds, an dem ihr arbeitet. Ich glaube, er trifft einen Mister Goodhouse. Aber er ist morgen wieder da.«
Helena freute sich über den Anruf, und sie sagte, dass sie ihn vermisse, was sie sehr bedenklich fände.
Das alles machte Philipp noch nervöser, als er nach dem Gespräch mit Touraine ohnehin gewesen war. Bei Langer hatte er Druck ablassen wollen, aber der blieb stecken. Und Helena merkte es. Philipp sah sich genötigt, ihr von seinem Telefonat zu berichten.
»Das ist der Alltag im Geschäft«, beruhigte ihn Helena. »Nicht viele Franzosen sind so – da gibt es andere, sehr liebenswürdige Menschen. Reib dich mit einer schönen Hautcreme ein und lass es an dir abperlen, das sage ich mir in solchen Fällen. Und ruf mich heute Abend wieder an, ja? Ich bin zu Hause.«
Philipp versprach es, dann würde er besser gelaunt sein. Er startete den Wagen. Der Miniraupenschlepper versprühte sein Gift weiter über alles, was durch die Rebzeilen kroch,der große Traktor bewegte sich in der Ferne wie ein Krebs mit ausgebreiteten Scheren über ein Algenfeld.
Bis nach Vertus waren es nur wenige Kilometer, in Köln wäre es eine Fahrt von einem Ende der Stadt zum anderen gewesen. Philipp wollte Pierre Larmandier treffen, den ihm der Moselwinzer empfohlen hatte.
In Vertus gab es einhundert Weinbauern, die Trauben verkauften, aber nur zehn, die selbst Champagner erzeugten. Larmandier war einer von ihnen. Bereits seine neue Kellerei an der Avenue Charles de Gaulle wirkte von außen mehr wie eine Galerie. Philipp betrat den weiten Raum, dessen Dach von einer offenen Balkenkonstruktion getragen wurde. Links standen ein Tisch und lederbespannte Stühle für eine größere Verkostungsrunde. Weite, bis auf den Boden reichende Fenster gaben den Blick in einen Garten frei. Rechts, wo hinter einem Geländer eine Wendeltreppe in den Keller führte, hing schwarz glänzend die Skulptur einer nackten Frau, die sich an einem Seil herabließ, das auf dem Boden eine Schlinge bildete. Die Wendeltreppe stellte sozusagen die Fortsetzung des Seils dar. Philipp überlegte, ob er nach einem tieferen Sinn fragen sollte, doch er unterließ es.
Pierre Larmandier, knapp Vierzig, hatte wenig mit dem Klischee eines Winzers oder Weinbauern gemein, dabei produzierte die Familie in der vierten Generation bereits Champagner. Pierre war ein moderner Typ, groß und schlank, Jeans, Pullover, sehr kurzes Haar. Er hätte Dozent für Betriebswirtschaft sein können und hatte tatsächlich die Business School in Nantes absolviert, bevor er nach dem frühen Tod des Vaters den Betrieb übernehmen musste. Das war damals nicht ganz freiwillig geschehen, heute hingegen trieb ihn die Überzeugung. Seine Frau, ebenso schlank und groß, begrüßte Philipp kurz, brachte Kaffee und zog sich in ihr Büro zurück.
Larmandiers moderne Auffassung vom Weinbau zeigte sich überirdisch ebenso wie unter der Erde. Die Wendeltreppeführte nicht in Keller mit Wänden aus Kalk, sondern aus Schüttbeton.
»Die lockere Bodenstruktur zwingt uns dazu«, erklärte der Winzer. »Bei uns, in der Terre de Vertus, anders als in der Montagne de Reims, haben wir keine massive Kreide, sondern lockeren Boden. Die Wände würden ohne Armierung einstürzen.«
Philipp kannte die
crayères
, die Kreidekeller, sie kamen ohne jede Stütze aus. Glatt, kalt und
Weitere Kostenlose Bücher