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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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ohne jedes besondere Merkmal, der Mann ohne Eigenschaften. Er trug einen modernen, gut geschnittenen Anzug und eine teure Krawatte. Er hatte schütteres Haar, war blass und wirkte fad, mit seinem Dutzendgesicht konnte er in jeder Menschenmenge sang- und klanglos untertauchen. Bei Regen hätte man ihn gar nicht gesehen. Doch seine Haltung zeigte Energie und auch eine tief sitzende Wut oder auch Verachtung.

8
    Der erste Anruf des nächsten Tages kam aus Köln. Langer teilte ihm mit, dass von der Direktion des Fonds die Erlaubnis zur Besichtigung der Keller und der Fondsbestände gegeben worden sei. Er dürfe auch sämtliche Unterlagen einsehen. »Monsieur Touraine wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen.«
    »Was heißt das?« Philipp war ungehalten. »Ich kann ihn nicht anrufen? Außerdem verstehe ich nicht, wie man Leute, mit denen man zusammenarbeiten will, behindert und ihnen notwendige Informationen vorenthält. Die suchen einen nützlichen Idioten, dem sie ihre Flaschen aufhalsen können, und wie wir die wieder loswerden, ist unser Problem. Oder wie soll ich das verstehen? Hier ist was nicht in Ordnung, das sagt mir mein Gefühl. Ich wäre vorsichtig, was die Kooperation mit diesem Fonds angeht.«
    Da Langer schwieg, fragte Philipp, ob er noch am Apparat sei. »Ja, selbstverständlich. Ihre Gefühle in Ehren, Achenbach, aber Sie sollen sich dort umsehen, weiter nichts.«
    Damit war das Gespräch beendet.
    Der Abend mit Paillard war interessant gewesen, ihre Gespräche hatten sich natürlich um Champagner gedreht, aber es hatte auch Raum für Privates gegeben. Sie hatten ihr Gespräch über die Zeit fortgesetzt. Sie waren sich einig gewesen, dass man genügend Zeit für das hatte, was einem so wichtig war, dass man sich die Zeit dafür nahm. Es gab nurein Leben, und darin mussten die Prioritäten festgelegt werden. Wer den Unsinn wiederholte, dass Zeit Geld war, wollte den Unterschied verwischen. Man brauchte Geld, um seine Wünsche zu erfüllen, seine Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Oder man sah zu, so viel Geld wie möglich zusammenzukriegen und dann über seine Wünsche nachzudenken. Aber dann reduzierte sich der Wunsch meist auf mehr Geld. Was tat man aus Überzeugung, was des Geldes wegen und was aus Angst? Als er später im dunklen Zimmer auf dem Bett lag, zu müde, um sich auszuziehen und zu duschen, fühlte er sich seit Langem wieder sehr allein. Helena hatte dieses Gefühl in ihm geweckt. Die Nähe zu ihr brachte ihn näher zu sich, und der Mangel, den ihre Abwesenheit in ihm hervorrief, bezog sich nicht nur auf sie, auf ihre Worte, ihre Berührung – der Mangel bezog sich auf etwas, das nur er sich geben konnte. Ihm fehlte ein Ziel.
    Im Hof brannte eine Laterne und warf einen Schimmer in den Raum, an der Wand entstand der Schatten des Fensterkreuzes. Irgendwo bellte ein Hund, ein Käuzchen rief, und ein Auto fuhr, aber sonst herrschte Stille, und er erwachte gegen fünf Uhr frierend und noch immer angezogen.
    Es war ihm lieb, dass Yves sich Zeit nahm, mit ihm zu frühstücken. Über Touraine hatte er bislang nichts in Erfahrung gebracht, für die Leute, die er gefragt hatte, war er ein unbeschriebenes Blatt. Angeblich stammte er aus dem Elsass, »ein Bekannter von mir kannte vor Jahren dort einen Touraine«, hatte Yves gesagt, »er hatte ihn wohl nicht in guter Erinnerung und hat ihn dann aus den Augen verloren. Ich habe allerdings noch nicht beim Champagnerverband angerufen, beim CIVC müsste ihn jemand kennen. Und wegen der anderen Frage – wer wo bei welchen Champagnerhäusern größere Mengen kauft – muss ich dich enttäuschen, darüber redet niemand. Es ist verständlich – wer lässt sich in die Karten blicken? Genaue Zahlen wird dir niemand geben. Die Pflicht zur Offenlegung von Betriebsergebnissen französischerUnternehmen ist anders geregelt als in Deutschland.« Aber Yves wollte sich weiter erkundigen.
    »Sei bitte diskret«, bat Philipp, »ich möchte keinen Wirbel veranstalten«, und Yves versprach, sich daran zu halten. »Aber es kann eine Weile dauern.«
    Das Warten war Philipp immer schwer gefallen. Erfreulicherweise zeigte sich die Sonne, und er machte einen Spaziergang an den Weingärten des Dorfes entlang. Er spürte die Wärme und den Wind, der würde die jungen Triebe und Blätter der Weinstöcke trocknen. Das nasse und kalte Wetter, so wie gestern, war Gift für sie. Der Austrieb war in diesem Jahr gut, die Gescheine entwickelten sich vorteilhaft, aber noch waren die

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