Champagner-Fonds
Champagner, die Golfer und Tenniscracks ihre Hunderttausend-Dollar-Siege. Gerade weil das Herumspritzen so ordinär wirkt, ist Moët & Chandon bereits vor zehn Jahren da ausgestiegen. Jetzt schütteln die Sieger eine billigere Marke. Und allein im Moulin Rouge in Paris werden jährlich fast eine Viertelmillion Flaschen Champagner geleert. Worum geht’s da? Um schöne Frauen.«
»Was bietet Mister Goodhouse bei Ihren Investorenpartys an, wenn Sie Leute von Ihrem Fonds überzeugen wollen?« Philipp war sicher, was Touraine antworten würde.
»Natürlich Champagner ... aber ausschließlich unseren besten. Es ist das Wort, das reizt, das Image, der schöne Schaum ...«
Die Einladung zum Essen im »Café du Palais« hatte Philipp höflich abgelehnt. Er hatte Touraines Gesellschaft satt und wollte sich nach der Motorradfahrerin erkundigen. Ihr Zustand machte ihm Sorge. Aber er war so ehrlich sich selbst gegenüber, sich einzugestehen, dass es ihn genauso brennend interessierte, in wessen Auftrag sie ihm gefolgt war. Er fürchtete sich vor dem Treffen, vor dem, was er angerichtet haben mochte, und gleichzeitig hielt er es für unausweichlich.
Am Empfang der Klinik in der Rue du Colonel Fabien erkundigte er sich, auf welcher Station er sie finden könne. Glücklicherweise fragte ihn niemand nach dem Grund seines Interesses, was er befürchtet hatte, denn dass der Zeuge eines Verkehrsunfalls sich nach dem Zustand des Unfallopfers erkundigte, war höchst unwahrscheinlich.
»Madame Beaubois wurde vor zwei Stunden auf eigenen Wunsch hin entlassen«, erklärte die Schwester hinter der Glaswand. »Sie ist in eine Privatklink überführt worden.«
Philipp brauchte einen Moment, um die Nachricht zu verdauen. Da hatte ihn jemand ausgetrickst. Er stand genauso dumm da wie vorher. Weitere Auskünfte dürfe man ihm nicht erteilen, sagte die Schwester, weder wohin man sie gebracht noch wer sie abgeholt hatte. Selbstverständlich sei es mit einem Krankenwagen geschehen. »Wenden Sie sich an die Polizei.«
Das war unmöglich. Damit wäre seine Rolle als Zeuge hinfällig, und dass diese Madame Beaubois, wenn sie wirklich so hieß, über den Grund ihrer Raserei schweigen würde, davon war er überzeugt. Philipp musste mit Yves darüber reden, wie er am besten weiter vorging, ihm konnte er vertrauen – außerdem wurde es Zeit, Thomas anzurufen. Vielleicht war ja ihr Haus längst abgebrannt, sämtliche Blumen und Pflanzen im Garten vertrocknet, sein Gemüse geerntet, alle Weine im Keller bei nächtlichen Studentenpartys ausgetrunken und die Einrichtung von Thomas’ betrunkenen Kommilitonen verwüstet?
Als er über den Parkplatz vor dem Krankenhaus ging, setzte der Regen ein. Anderthalb Tage gutes Wetter hatten sie gerade mal gehabt. Wie sollte dabei der Wein reifen? Aber so war es in der Champagne immer gewesen, und nur deshalb enthielten die Trauben hier wenig Zucker und der Champagner wenig Alkohol. Etwas anderes als Champagner konnte man aus diesen Trauben kaum machen, obwohl es in der Côte des Bar weiter südlich auch hervorragende Stillweine gab, deren Trauben sicherlich länger als nur bis September an den Stöcken hingen. Er hatte eine ferne Erinnerung an diese Weine, und er nahm sich vor, falls es ihn dorthin treiben sollte, einige Flaschen Pinot noir mitzubringen.
Der Regen hörte auf, aber der Himmel blieb verhangen. Philipp verzichtete aufs Mittagessen, er fürchtete, bei zu vielen Restaurantbesuchen dick zu werden. Beim Anziehen heute Morgen hatte er bemerkt, dass er den Bauch einziehenmusste, um die Hose zu schließen. Das konnte er sich nicht leisten, und er dachte, als er auf der Brücke über die Marne vor Épernay im Stau stecken blieb, an Helena und Louise – oder an Louise und Helena? War er eigentlich verrückt? War er so liebesbedürftig (oder so unkritisch seinen chaotischen Gefühlen gegenüber), dass er sich kurz hintereinander in zwei Frauen verliebte?
Alles Quatsch, dachte er, zumindest in Bezug auf Louise, sie war einfach nur charmant gewesen, und er war für sie ein potenzieller Kunde. Er hatte längst mit Helena eine Beziehung begonnen (was für ein schreckliches Wort für das, was ablief), traute man sich nicht, es klar zu benennen? Klangen alle schöneren Metaphern lächerlich oder kitschig?
Wenn er ehrlich war, sah er dem Abend bei Madame Louise gespannt entgegen und fürchtete sogar eine mögliche Ernüchterung im Kreise ihrer Importeure. Er wollte ihr gefallen, wollte, dass sie ihn
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