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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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nicht besaß, war sie nicht in der Lage, die Welt zu vergessen und bei diesem Diner im Licht von Kerzen, mit silbernem Besteck und blitzenden Kristallgläsern zu schwelgen.
    Was Philipp an Louise hingegen (jetzt dachte er längst nicht mehr an Madame Dillon-Lescure) als liebenswert empfand, war ihre Freude bei der Bewirtung ihrer Gäste, trotz ihres deutlichen Geschäftssinns. Sie war die geborene Gastgeberin. Sie repräsentierte die elegante Seite der Champagnerwelt, und trotz ihrer gepflegten Hände war sie eine Frau, der man durchaus zutraute, mit dem Gabelstapler einen Lkw zu beladen.
    »Unser Freund, Monsieur Philipp«, sie legte ihm vertraulich die Hand auf den Arm, »wird als Kenner Frankreichs sicherlich für einen derartigen Anlass die gebotenen Worte finden.« Erwartungsvoll sah sie ihn an.
    Übertrug sie ihm damit nicht ein wenig von ihrer Legitimation als Hausherrin, ohne ihre Kompetenz wirklich aus der Hand zu geben? Er verstand ihre Absicht und zwinkerte ihr kaum merklich zu, er würde mitspielen, und sie senkte zustimmend die Augen. Was für eine spannende Frau, durchfuhr es ihn. Das Theater machte ihm Freude, und er vergaß für einen Abend sowohl Langer wie auch Touraine und Goodhouse, Michel Muller oder Müller, den General und Helena. Dafür war Louise mehr als präsent.
    Sicher fand er die passenden Worte. Er hatte für derartige Gelegenheiten den Juristen Brillat-Savarin in petto, den Experten für Tafelfreuden. Er hatte zur Zeit der Französischen Revolution gelebt und auch Bonaparte überlebt, dessen Größenwahn zwei Millionen Europäer das Leben gekostet hatte, wie Philipp nicht umhin kam, zu erwähnen. Statt sich jedoch durch blutige Taten einen Namen zu machen, war Brillat-Savarin als Feinschmecker unsterblich geworden, der prominente Gast der großen Pariser Diners. Auchder Satz, dass Champagner in seiner ersten Wirkung erfrischend wirkt, später jedoch in Folge seiner »kohlensauren Gase lastend und verdummend« und damit die Tischgespräche behindernd, wurde ihm zugeschrieben.
    »Er hat eine Art Kodex für derartige Festessen aufgestellt«, fuhr Philipp auf Englisch fort, um die Frau des Holländers nicht auszuschließen, auch wenn sie das selbst tat. »Seine damals aufgestellten Regeln halte ich bis heute für gültig. Wir sind hier am Tisch zehn Personen, sogar zwei weniger, als der lukullische Richter als Obergrenze angibt, damit das Gespräch noch von allen verfolgt werden kann. Gegen eine andere Regel verstoßen wir bereits, da wir alle einen ähnlichen Beruf haben. Denn als das Schlimmste bei Tische sah Brillat-Savarin die Fachsimpelei. Ich hoffe, wir werden uns an diesem Abend zurückhalten. Ob unser aller Geschmack ähnlich ist, wie von ihm gefordert, werden wir hingegen gleich feststellen.«
    Als Vorspeise wurde ein Carpaccio von Langostinos auf Basilikum gereicht, eines der Rezepte aus dem Kochbuch von Madame. Es gab niemanden, der es verschmähte, genauso wenig wie den Chardonnay Dosage Zéro – ohne jeden Zucker. Inzwischen empfand Philipp das puritanische Gehabe der Holländerin sogar als komisch, er nahm ihr die Entsagung nicht ab und glaubte, dass sie sich wahrscheinlich am liebsten wollüstig im Ananas-Carpaccio gewälzt hätte. Ihrem Partner jedenfalls hätte er es zugetraut, er genoss den Abend. Wie konnten es zwei derart unterschiedliche Menschen miteinander aushalten? Sie trugen die gleichen Ringe.
    Da erinnerte sich Philipp seines Auftrags. »Das Speisezimmer ist luxuriös eingerichtet, leider ein wenig zu warm, wie unser Monsieur Brillat-Savarin meinen würde. Dafür erfüllen die Männer das Gebot, geistreich ohne Prätention zu sein, und die Frauen sind ohne zu viel Koketterie.« Eher zu wenig, dachte er beim Anblick der Holländerin, die verbissenauf ihren Platzteller starrte. »Dass die Speisen erstklassig sind, davon können wir nach der Vorspeise ausgehen, und dass auch die Weine, beziehungsweise die Champagner, von erster Qualität sind, wissen wir.«
    Philipp hob sein Glas in Richtung der Gastgeberin neben ihm. »Auf einen großen Gourmet, auf Monsieur Brillat-Savarin!«
    Es machte ihm Spaß, Louises Spiel zu spielen, obgleich er sich ein wenig eingesponnen fühlte; er würde aufpassen müssen, dass ihr Netz nicht zu eng wurde, und ihr auch die Grenze dessen zu zeigen, was er gewillt war mitzumachen. Wollte sie ihn oder brauchte sie einen Vertreter in Deutschland?
    »Dass die Reihenfolge von den schweren zu den leichten Gerichten geht, dafür sorgt Madame

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