Champagner-Fonds
gesagt.«
»Wozu auch?«, meinte Louise verbindlich.
»Dann sind Sie ja eine dieser berühmten Champagnerwitwen wie die Witwe Clicquot – von Veuve Clicquot! Das ist ein großartiger Champagner ...« Es war klar, dass dieser Fauxpas nur von der Holländerin stammen konnte.
»Wie lieb und luftig perlt die Blase / der Witwe Klicko in dem Glase.« Der Vers von Wilhelm Busch kam Philipp stets in den Sinn, wenn das Champagnerhaus Clicquot genannt wurde, aber ihn auszusprechen lag ihm fern, und in anderen Sprachen ging der Witz verloren. Aber die Holländerin hätte ihn sowieso nicht verstanden. Es gab eine Zeit für Fragen, eine für Antworten und eine fürs Schweigen. Die Holländerin hatte die Fähigkeit, nicht nur die Anwesenden zu brüskieren, sondern auch die Zeiten durcheinanderzubringen. Vielleicht war ihre eigene im Gefängnis durcheinandergeraten? Vielleicht hätte sie dort noch ein wenig länger meditieren sollen? Ihre Art bestätigte einmal mehr Philipps Eindruck, dass Menschen, die sich ausschließlich mit Geld beschäftigten, für die wesentlichen Belange des Lebens nicht mehr erreichbar waren. Was interessierte es Bankiers, ob Tausende aufgrund ihrer Politik hungerten, Länder verarmten, oder ob Soldaten nach Maßnahmen der Weltbank auf die protestierende Menge einschlugen. Er erinnerte sich an sein Unbehagen, als man in Deutschland einen Banker zum Präsidenten gemacht hatte.
»Ich kann Ihnen gern mehr erzählen, wenn Sie wollen«, sagte Louise, ohne den verbindlichen Ton aufzugeben, die Kontrolle über die Situation war ihr nicht eine Sekunde lang entglitten.
»Mein damaliger Mann starb bei einem Autounfall. Erwar zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort, wenn Sie so wollen ...«
»
I
am sorry
«, sagte die Holländerin, ohne es zu meinen.
»Das brauchen Sie nicht zu sein.« Das betonte ›Sie‹ war die Ohrfeige, die diese Frau längst verdient hatte.
»Meine ersten Jahre waren schwer, aber auch nicht zu schwer. Ich bin in diesem Hause aufgewachsen, ich bin sozusagen mit Champagner statt mit Milch groß geworden – und hat es mir geschadet?« Ihre Augen suchten die von Philipp.
Geschadet? Nein, keineswegs, dachte er, eher war das Gegenteil der Fall.
»Es wird nicht leicht für Sie gewesen sein, besonders der Anfang, und die Zeiten ändern sich nur langsam.« Mrs. Wallace, deren Wangen vom Champagner gerötet waren, zeigte echte Bestürzung. »Besonders wenn ich daran denke, dass Frankreich erst nach der Befreiung von den Nazis das Frauenwahlrecht einführte, als einer der letzten Staaten in Europa. Da musste wahrscheinlich Ihre gesamte Mannschaft umlernen. Es wird den Männern nicht gefallen haben.«
»Wer Schwierigkeiten hatte, ist von allein gegangen.« Louise war davon nicht sonderlich bewegt. »Mein Vater war da, und der hat jedem, der frech wurde, mit Rausschmiss gedroht. Außerdem war ich beileibe nicht die einzige Frau im Geschäft. Denken Sie nur an Madame Bollinger, unsere berühmte Lily. Die radelte sogar im Krieg, weil wir kein Benzin bekamen, durch die feindlichen Linien zu ihren Weinbergen und musste den Nazis die Stirn bieten. Das hat sie getan, und sie hat Frankreich nicht verraten, wie viele andere. Bis 1971 hat sie ihr Haus geführt, sie ist um die ganze Welt gereist, um ihren Champagner zu verkaufen. 145 Hektar haben sie damals gehabt. Was sind dagegen meine 28? Ach, denken Sie nur an Madame Clicquot und an Madame Duval-Leroy, eine liebenswerte Kollegin. Kennt sie jemand von Ihnen?«
Philipp nickte und berichtete, was er in ihrem Hause probiert hatte.
»Dieser Mann ist ein Phänomen.« Louise sah Philipp mit großen Augen an. »Wen kennen Sie eigentlich nicht, Monsieur Philipp?«
Er dachte an Touraine, an den General und an Goodhouse, dessen Name ihn nicht losließ.
»Wie wirken sich eigentlich die jüngsten Mengenbegrenzungen durch das Komitee aus?«, fragte der Belgier, der sich nicht anmerken ließ, ob er bemerkt hatte, was sich zwischen seiner Champagnerlieferantin und dem Deutschen abspielte.
Philipp war es recht, dem allgemeinen Interesse zu entkommen. »Neuerdings sind nur noch 8.000 Kilo Trauben pro Hektar gestattet, um Champagner zu machen. Die Pressvorschriften wurden nicht geändert?«
»Nein, wieso auch. 8.000 Kilo sind für uns zwei
marc
, und je
marc
gewinnen wir bei der ersten Pressung, der
cuvée
, 2.050 Liter. Die zweite Pressung, die
taille
, liefert nochmal 500 Liter. In meinem Haus verwenden wir sowieso nur
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