Champagner-Fonds
»Man muss ihnen einiges bieten, man muss die Jungs verwöhnen«, flüsterte sie. »Dabei sind sie verwöhnt wie kaum jemand: Sie kennen die besten Restaurants in Paris und Bordeaux, sie bekommen die schönsten Weine entweder geschenkt oder zum Probieren. Sie wahrscheinlich auch, Monsieur Achenbach? Dafür bringen sie mir gute Ergebnisse. Wenn sie mit meinem Champagner nicht genügend Geld verdienen, das ist klar, dann kaufen sie ihnmorgen woanders. Gnade gibt es in unserem Geschäft nicht.«
Philip fühlte sich geschmeichelt, dass Madame ihn in ihre Überlegungen einbezog und dadurch zum Verbündeten oder Vertrauten machte. Und immer, wenn ihm etwas schmeichelte, blinkte seine innere Warnleuchte. Er wusste nicht zu sagen, wer sie ihm eingebaut hatte, jedenfalls folgte er der Erkenntnis, dass immer dann, wenn ihn jemand hofierte, dieser Jemand etwas von ihm wollte, was hauptsächlich seinen Interessen diente. Aber doch nicht Madame Dillon-Lescure, und schon gar nicht Louise? Wieso eigentlich nicht? Es käme darauf an, worum es ihr ging.
Dann wandte sich das Gespräch wie ritualisiert den Restaurants der Messestadt zu: Welche gegenwärtig in Düsseldorf zu empfehlen seien, in welchem sie zuletzt gespeist hatten, wohin man zur Party von diesem oder jenem Unternehmen eingeladen worden war, welcher Küchenchef sich wo einen Stern erkocht hatte und so weiter, es war das übliche Geplauder zum Abtasten und Aufwärmen, zum Feststellen von Gemeinsamkeiten, Gegensätzen und Sympathien. Für einige blieb es dabei, anderen diente es zum Sondieren, bevor man von der Oberfläche ein wenig in die Tiefe vorstieß und sich über das wirklich Interessante unterhielt. Bis dahin wurde gefachsimpelt.
Das interessierte Philipp, der Hunderte derartiger Gespräche hinter sich hatte, genauso wenig wie die mitreisenden Ehefrauen und Begleiterinnen. Ihnen war die Langeweile bei den sich stets mehr oder weniger ähnelnden Gesprächen anzusehen, und er schloss sich Louises Führung der Frauen durch das Château an. Es war eine Freude für die Augen. Hier standen Stühle um einen Tisch aus der Zeit von Louis XIV. Im großen Nebenraum waren die Schränke, die Vitrinen und die Spiegel aus der Zeit Ludwigs VX. sowie einige schöne Silberarbeiten und Tische mit kunstvollen Intarsien. Eine Standuhr aus der Zeit Napoleons vor einerStofftapete erregte viel Beifall, dann ging man – nein, sie schwebten unter Rufen des Entzückens – weiter durch den großen Saal, der nun wieder mit Empire-Möbeln dekoriert war, die Vorhänge vor den bodentiefen Fenstern in Material und Farbe der Zeit nachempfunden. Die Damen kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Philipp hatte auf seinen Reisen häufig derart klassisch und elegant eingerichtete Häuser besucht und auch dort einige Tage verweilt. Es würde sie auch noch in Deutschland geben, wenn dieses Volk von Idioten nicht dem Rattenfänger nachgelaufen wäre.
Nur eine Frau mit strengem Blick enthielt sich jeglicher Gefühlsäußerung. Ihr ungeschminktes Gesicht hätte gut ein wenig Sonne vertragen können, ihre Augen waren schmal, die Nase mager, der Mund trug ein verkniffenes Lächeln, mit dem sie Zustimmung zu zeigen trachtete, was aber in seiner Wirkung den calvinistischen Ausdruck dieser in verwaschenem Schwarz mit einem winzigen weißen Pastorenkragen gekleideten Gestalt nur noch verstärkte. Sie war Holländerin, und sie war offenbar neidisch, ihr Blick voller Verachtung, sowohl für die Gegenstände in ihrer Umgebung wie auch für die Klasse, zu der sie die Hausherrin zählte. Vom Alter her hätte sie die Tochter des niederländischen E U-Abgeordneten Wim van de Camp sein können, der sich öffentlich Sorgen über die Gesundheitsgefährdung seiner Landsleute durch herumfliegende Sektkorken gemacht hatte. Philipp würde sie danach fragen. Der Knallkopf hatte tatsächlich einen Warnhinweis auf den Flaschen gefordert.
Als Louise, auf ihr Arbeitspensum angesprochen, darlegte, dass ihre Arbeitswoche aus sieben Tagen bestand, der Arbeitstag häufig erst um Mitternacht endete und das Haus in diesem Zustand nur erhalten werden konnte, indem es für Veranstaltungen vermietet wurde, überhörte die Holländerin das geflissentlich. Als man zu Tisch gerufen wurde und sie an der Seite ihres Ehemannes, einem durchaus begeisterungsfähigen Jungmanager, saß, irritierte sie die Runde weiter mitihrer Feindseligkeit. Das alles würde sie niemals besitzen, doch anders als Philipp, der auch genießen konnte, was er
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