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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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Thomas wollte den Park betreten, aber Philipp hielt ihn zurück.
    »Auch ein offenes Tor gilt nicht als Einladung. Es gibt Kreise in Frankreich, die sind zehn Mal konservativer als in Deutschland. Du musst auf die Einladung warten.«
    Ansonsten schien Ricey Bas ausgestorben. Sogar im Hotel und dem angeschlossenen Restaurant ließ sich vor dem Abend niemand blicken. Erst gegen neunzehn Uhr, als der Bäcker für eine Stunde öffnete, tauchten Bewohner auf, holten sich ihre Baguettes ab und verschwanden damit in ihren von außen unansehnlichen Häusern. Dass es ihnen an Geld nicht fehlte, zeigte sich an neuen Audis der Kategorie sechs bis acht vor der Haustür.
    »Sie werden mit Landverkäufen oder den Erträgen aus dem Traubenanbau finanziert«, erklärte der Hotelbesitzer, auch er ein Weinbauer. »Auf den Hektar hier macht man mehr als zwanzigtausend Euro Profit. Das ist eine Spitzenrendite für die Landwirtschaft, wenn einem der Boden gehört. Bei uns ist niemand arm – wie bei Kriegsende und zu Zeiten der Reblauskrise, die damals fast sämtliche Weinstöcke vernichtete. Danach wurden Kartoffeln statt Wein angebaut, denn nur davon bekam man seine Kinder satt.«
    Der Wirt hatte nichts dagegen, dass sie statt seines Champagners beim Abendessen den Urville Rouge von Drappier probierten. Sie gaben ihn in eine Dekantierkaraffe, um ihn zu belüften und die Aromen besser zu genießen, doch dieser Wein machte ihnen die Analyse schwer. Er war zu gut. Dieser Pinot noir hätte jeden Freund eines gelungenen Burgunders begeistert, auch wenn er von der Coteaux Champenois stammte. Er war frei von jeglichem Holzgeschmack. Das hatte ihn angenehm weich, rund und frisch belassen, und gleichzeitig fühlte er sich im Mund fein und stoffig an. Er war heller als ein Rotwein und dunkler als ein Rosé-Champagner. Allerdings bereitete es Philipp Schwierigkeiten, den Duft zu beschreiben. Damit haderte er sowieso, denn die Vergleiche mit den Aromen von Waldbeeren, Weichselkirsche und Lakritz, auf subtile Weise mit dem Duft verblühterRosen vermischt – wer sollte davon eine Vorstellung gewinnen? Beerig, dunkel, tief, das alles bei einer dezenten Süße, das war es, was ihm einfiel, und als Thomas »reife Johannisbeere« beisteuerte, meinte er auch die zu riechen. Es gab ein viel besseres Kriterium, den Wein zu beurteilen: Noch bevor sie den Hauptgang beendet hatten, war die Flasche leer.
     
    »Wenn wir zurück sind, schaue ich mir bei Gelegenheit deinen neuen Lehrbetrieb gerne an, und du stellst mich deinem Lehrherren vor«, sagte Philipp, als sie sich nach dem Abendspaziergang wieder vor dem Hotel einfanden. Sie waren, so wie es aussah, die einzigen Gäste.
    Thomas fuhr auf. »Musst du dich ständig in meinen Kram einmischen?«
    »Bei Gelegenheit, habe ich gesagt, bei Gelegenheit.« Thomas’ schroffe Bemerkung traf Philipp. Er fühlte sich missverstanden und gekränkt. Er mischte sich so gut wie nie in Thomas’ Angelegenheiten ein, äußerte lediglich seine Meinung. Philipp blickte seinen Sohn heimlich an, ein wenig sogar wie einen Fremden. Der raste mit anderen Augen und einer anderen Geschwindigkeit durch die Welt, doch zumindest spürte er, dass er etwas falsch gemacht hatte, und eine Stunde später, als Philipp sich überwunden und ihm seine Beweggründe für die Frage geschildert hatte, konnte er sich zu einer Entschuldigung durchringen.
     
    Gilbert Machault, der in Ricey Haute Rive in der Nähe der Schule wohnte, war ein unfreundlicher Zeitgenosse. Philipp und Thomas verständigten sich sofort, ihre Einschätzung, dass sie mit ihm nicht weit kommen würden, deckte sich. Monsieur Machault wollte nicht über seinen Kontakt mit Touraine und seine Erfahrungen mit dem Champagner-Fonds sprechen, schon gar nicht über ihre Abmachungen wegen der Lieferungen und erst recht nicht über die Menge verkaufter Flaschen.
    »Ich spreche nicht über Abwesende«, lautete seine nicht besonders hilfreiche Erklärung, doch Philipp vermutete andere Gründe. Dem Winzer war ihr Besuch sehr unangenehm, er fühlte sich ausgehorcht und beantwortete Fragen zum Champagner in einer besserwisserischen Weise. In seine Keller wollte er sie nicht lassen, und für eine Probe fehlte ihm die Zeit. Von Philipps Angebot, seine Produkte in Deutschland zu vertreiben, ließ er sich nicht ködern. Bei jeder weiteren Frage verwies er auf Touraine, mit ihm sollten sie sprechen, und auch der Hinweis darauf, wer sie hergeschickt hatte, half nicht weiter. Philipp hielt sich

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