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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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beiseite.«
    »Wie sollte er Tausende von Flaschen entsorgen?«
    »Ich würde sie liegen lassen und mich verdünnisieren«, meinte Thomas, als er nach dem Rundgang wieder zu ihnen stieß. Er war noch ganz im Bann der großen, fünftausend Liter fassenden
fudres
, die hier statt Edelstahl in Gebrauch waren, sowie der besonderen Flaschen. Die Magnum sowie die Doppel-Magnum mit drei Litern Inhalt kannte er, davon lagen einige in ihrem Keller. Die Methusalem-Flasche jedoch war ihm neu, wie auch die Nebukadnezar mit fünfzehn Litern.
    »Wir führen noch eine ganz besondere Größe«, meinte Drappier, von Thomas’ Neugier angetan, »den Melchisedech, ebenfalls ein alttestamentarischer Name. Die Flasche fasst dreißig Liter.«
    »Wie wirkt sich das auf Geschmack des Champagners aus?«, fragte Thomas.
    »Eigentlich gar nicht mehr«, antwortete Philipp, da der Winzer am Empfang verlangt wurde. »Die größte Harmonie erlangt er in der Magnum- bis zur Doppel-Magnum-Flasche, weil der Champagner nicht in ihnen reift.«
    Thomas hatte noch eine andere Flasche entdeckt, deren Etikett es ihm angetan hatte: die Cuvée Charles de Gaulle. »Die bringen wir dem General mit.«
    Thomas bekam die Flasche geschenkt. Drappier gab ihnen noch weitere Proben mit, einmal einen Urville Rouge, einen seltenen Rotwein aus hiesigen Pinot-noir-Trauben, und einen Marc de Champagne. Der Tresterbrand aus den Rückständen der Traubenpressung war stark und hart und in Frankreich längst nicht so beliebt wie ein Grappa in Italien, obwohl er zum Aromatisieren von Trüffelpralinen Verwendung fand. Sein Name war altfranzösisch und leitete sich von
marcher
ab, was so viel wie »Zerkleinern« bedeutete und sicher einst dafür verwendet wurde, als die Maische noch mit den Füßen getreten worden war.
     
    Im Departement Bar-sur-Seine kannte Philipp noch einen Winzer, der ihm eventuell weiterhelfen konnte. Er wurde, wie seine Sekretärin erklärte, am Abend aus Paris zurückerwartet, dann hätte er morgen sicher Zeit, sie zu empfangen, und sie konnten anschließend nach Avize zurückkehren.
    »Also übernachten wir hier, und du kaufst uns ’ne Zahnbürste. Eine Dusche wird es im Hotel wohl geben.«
    Für die Tour nach Les Riceys ließen sie sich Zeit. Eigentlich waren es drei Dörfer direkt an der Côte d’Or. Am oberen Lauf des Flüsschens Laignes lag Ricey Haut, flussabwärts am rechten Ufer schloss sich Ricey Haute Rive als größter Teil an, und hinter einem Streifen Wald und niederen Wiesen begann Ricey Bas mit dem Hotel »Le Marius« direkt gegenüber der Kirche.
    Das Wetter meinte es heute gut mit den Weinstöcken undmit ihnen. Philipp und Thomas nutzten die Zeit für eine Tour durch die Umgebung. Philipp erinnerten die steilen Hügel und die bewaldeten Berge ans Burgund. Die Weingärten wurden von Nadelwald begrenzt, was sich auf den Geschmack des Weins auswirkte, falls die natürlichen Hefen der Wildpflanzen auf den Trauben die Gärung bestimmten. Aber bei Champagner war das wenig wahrscheinlich. Es könnte ungewollte Aromen in den Wein bringen – Champagner war längst ein extrem empfindliches Kunstprodukt. Ihre Tour fand ein abruptes Ende, als ein Hubschrauber die steilen und schwer zugänglichen Weinberge zu spritzen begann. Es war eine teure und ungenaue Methode der Pilzbekämpfung. Und bevor sie die Brühe aus Schwefel und Kupfer einatmeten, flüchteten sie zurück ins Dorf.
    Der frühe Abend war im stillen Ricey Bas wesentlich gesünder und angenehmer. Sie beobachteten Mauersegler und Schwalben bei rasanten Flügen um die Wasserspeier und Zinnen der alten Kirche. Sie schlenderten zum Waschhaus, wofür eigens die Laignes aufgestaut worden war, deren Wasser sich keine fünfzig Meter unterhalb der Stelle, wo die Frauen auf Steinen die Wäsche ausgeklopft hatten, anmutig über ein Wehr ergoss, wo die Strömung Schlingpflanzen tanzen ließ.
    Von weitem schienen die Mauern zwischen Häusern und Gärten aneinander zu grenzen, aber dazwischen blieben schmale Gänge frei, was man erst aus der Nähe bemerkte. In den Vorgärten überwucherten die Pflanzen das Trottoir, Sukkulenten hatten Mauern und Simse besiedelt, Flechten bedeckten die Torbögen und gaben dem grauen Granit ein lebendiges Aussehen. Das Tor zum nahen Château stand offen, der Blick fiel über eine gepflegte Rasenfläche auf das helle, zweistöckige Gebäude. Die Frau, die vor den Glastüren im Parterre einen Wagen belud, war einer der wenigen Menschen, die sie im Dorf zu Gesicht bekamen.

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