Champagner und Stilettos
fanden beide Elternpaare einander gegenübersitzend auf identischen, betont schlichten, äußerst stilvollen Sofas vor.
»Brooke, Julian.« Seine Mutter lächelte, ohne aufzustehen. »Ich bin froh, dass ihr hergefunden habt.«
Brooke hörte gleich den Vorwurf wegen ihrer Verspätung heraus. »Tut mir leid, dass wir es nicht eher geschafft haben, Elizabeth. Die U-Bahn war wieder mal –«
»Na, wenigstens seid ihr jetzt da«, brummte Dr. Alter, die Hände um ein schweres Glas Orangensaft gelegt, genauso, wie er in Brookes Vorstellung all seine Brüste umfasste.
»Brookie! Julian! Wie geht’s, wie steht’s?« Brookes Vater war aufgesprungen und drückte sie beide an seine breite Brust. Brooke konnte es ihm nicht einmal übelnehmen, dass seine Begrüßung viel zu übertrieben herzlich ausfiel. Damit wollte er nur seine Unsicherheit überspielen.
»Hi, Dad«, sagte sie und ging auf Cynthia zu, die sie mit einer unbeholfenen, halb sitzenden, halb stehenden Umarmung begrüßte. »Schön, dich zu sehen, Cynthia.«
»Ja, dich auch, Brooke. Wir freuen uns so, endlich mal wieder hier zu sein! Dein Vater und ich haben gerade gemeint, dass wir uns kaum erinnern können, wann wir das letzte Mal in New York waren.«
Erst jetzt hatte Brooke Gelegenheit, Cynthia richtig in Augenschein zu nehmen. Sie trug einen feuerroten Hosenanzug und eine weiße Bluse, schwarze Lackschuhe und um den Hals eine dicke, dreifache Kunstperlenkette, das Ganze abgerundet durch eine gelockte und glanzgesprayte Hochfrisur. Sie sah aus wie eine Fernsehreporterin auf einem Kongress, die sich unbedingt von einem Meer aus dunklen Anzügen abheben will. Mit dieser Aufmachung versuchte sie nur, dem Bild der reichen New Yorkerin zu entsprechen, das sie im Kopf hatte, aber es war alles grundverkehrt, was in der puristischen, asiatisch inspirierten Wohnung der Alters besonders krass auffiel. Julians Mutter, die zwanzig Jahre älter war als Cynthia, sah in ihren dunklen Designerjeans und der ärmellosen Seidenjersey-Tunika mit dem federleichten Kaschmirschal zehn Jahre jünger aus. Sie trug zarte Ballerinas mit einem diskreten Chanel-Logo und keinen anderen Schmuck als einen schmalen goldenen Armreif und den üblichen Diamantring. Ihre Haut schimmerte gesund gebräunt und leicht geschminkt, das lange Haar ergoss sich offen über ihren Rücken. Brooke fühlte sich sofort schuldig: Sie wusste, wie eingeschüchtert Cynthia sich fühlen musste – schließlich erging es ihr in Gegenwart ihrer Schwiegermutter auch nicht anders. Andererseits schämte sie sich stellvertretend für ihre Stiefmutter, weil die sich gar so grausig mit ihrem Outfit vertan hatte. Selbst Brookes Vater schien sich in seinem khakifarbenen Anzug nebst Krawatte neben Dr. Alter im kurzärmligen Polohemd mehr als unbehaglich zu fühlen.
»Julian, Schatz, ich weiß, du trinkst eine Bloody Mary. Brooke, möchtest du eine Mimosa?«, fragte Elizabeth Alter. Es war eine simple Frage, aber wie immer kam sie Brooke wie eine Falle vor.
»Eigentlich hätte ich auch ganz gern eine Bloody Mary.«
»Gewiss.« Obwohl Julians Mutter keine Miene verzog, spürte Brooke deutlich ihre Missbilligung. Bis zum heutigen Tage war sie sich nicht sicher, ob ihre Schwiegermutter sie ablehnte, weil sie Julians musikalische Ambitionen unterstützte oder weil sie ihr einfach unsympathisch war.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf den beiden noch freien Stühlen Platz zu nehmen, die hart und unbequem waren. Um ihre Verlegenheit zu überspielen, versuchte Brooke, ein Gespräch in Gang zu bringen.
»Und? Wie war eure Woche?«, fragte sie die Alters und lächelte Carmen zu, die ihr ein hohes Glas reichte. Die leuchtend rote Bloody Mary samt Zitronenschnitz und Selleriestange sah so verführerisch aus, dass sie sich zusammenreißen musste, um sie nicht auf ex hinunterzustürzen. »Wie immer viel zu tun?«
»Ja, wirklich unglaublich, wie ihr solche vollen Terminpläne durchhalten könnt!«, sekundierte Cynthia ein bisschen zu laut. »Brooke hat mir erzählt, wie viele, äh, Eingriffe ihr täglich vornehmt, und das klingt echt anstrengend! Wenn’s bei mir in der Schule eine Grippewelle gibt, dann bin ich schier am Ende, aber ihr beide? So was von aktiv, ein Wahnsinn ist das!«
Elizabeth Alter lächelte unendlich herablassend. »Ja, meine Liebe, wir füllen unsere Zeit recht gut aus. Aber wie langweilig, von uns zu sprechen, mich würde viel mehr interessieren, wie es den Kindern geht. Brooke?
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