Champagner und Stilettos
Dollar war mehr, als sie zusammen in den vergangenen fünf Jahren verdient hatten, und Julian würde damit machen dürfen, was er wollte. Wie hätte sie vorhersehen können, dass eine so massive Geldspritze sie sogar noch tiefer in die Schulden stürzen würde? Von diesem Vorschuss musste Julian die Studiomiete bezahlen, teure Produzenten und Tontechniker anheuern und die gesamten Kosten für Equipment, Reisen und die Begleitband abdecken. Nach wenigen Monaten schon war das Geld alle, bevor sie auch nur einen Dollar für die Miete, Haushaltskosten oder gar ein Festessen hätten ausgeben können. Und nachdem der ganze Zaster verbraten worden war, damit Julian sich einen Namen machen konnte, wäre es sinnlos gewesen, das Projekt nicht bis zum Ende durchzuziehen. Sie hatten schon dreißigtausend Dollar von ihrem eigenen Geld zugeschossen – ihre ganzen Ersparnisse, die als Anzahlung für eine Eigentumswohnung vorgesehen waren – und gerieten von Tag zu Tag mehr in die Miesen. Wobei das Bedrückendste an der Sache genau das war, was Nola gerade so schonungslos ausgesprochen hatte: die Chancen, dass sich das Geld und die Zeit, die Julian in das Projekt investiert hatte, irgendwann in barer Münze auszahlen würden, waren praktisch gleich null.
»Ich hoffe nur, er weiß, was für ein Glückspilz er ist, eine Frau wie dich zu haben«, meinte Nola. »Glaub mir, ich wäre bestimmt nicht so geduldig gewesen. Weshalb ich wahrscheinlich auch für immer Single bleiben werde …«
Zu Brookes Erleichterung kam jetzt die Pasta, und das Gespräch nahm eine unverfänglichere Wendung: ob Bolognese-Sauce dick machte, ob Nola eine Gehaltserhöhung fordern sollte, ob Brooke mehr Verständnis für ihre Schwiegereltern aufbringen müsste. Als sie dann die Rechnung verlangte, ohne das Tiramisu oder auch nur einen Kaffee zu bestellen, blickte Nola besorgt drein.
»Du bist doch nicht sauer auf mich, oder?«, fragte sie und legte ihre Kreditkarte in das Ledermäppchen.
»Ach was«, log Brooke. »Ich hatte bloß einen langen Tag.«
»Wo willst du denn jetzt hin? Kein Gläschen mehr nach dem Essen?«
»Nein, Julian muss … er hat einen Auftritt.« Brooke entschied sich für die Wahrheit. Sie hätte den Gig lieber nicht erwähnt, aber es kam ihr blöd vor, Nola dauernd etwas vorzumachen.
»Na super!« Nola trank schnell ihr Glas aus. »Soll ich mitkommen?«
Sie wussten beide, dass sie eigentlich nicht mitwollte, was völlig in Ordnung war, da Brooke sie auch gar nicht dabeihaben wollte. Ihre Freundin und ihr Mann kamen soweit miteinander aus, und das genügte. Sie wusste, dass Nola es nur gut mit ihr meinte, und dafür war sie ihr auch dankbar, aber es war nicht leicht, wenn einem die beste Freundin ständig den Ehemann miesmachte.
»Ach, weißt du, Trent ist gerade mal wieder in der Stadt«, sagte Brooke. »Ich hab mich mit ihm in dem Club verabredet.«
»Sieh an, der gute alte Trent. Wie klappt’s denn mit dem Medizinstudium?«
»Er ist fertig. Jetzt ist er Assistenzarzt. Julian sagt, er findet’s toll in L.A. – komisch, kein echter New Yorker findet L.A. toll.«
Nola stand auf und schlüpfte in ihre Kostümjacke. »Hat er eine Freundin? Wenn ich mich recht erinnere, ist er zwar todlangweilig, aber ganz niedlich …«
»Er ist sogar frisch verlobt, mit einer Kollegin namens Fern. Sie ist auch Gastroenterologin. Stell dir vor, was das für ein Bettgeflüster ergibt.«
Nola rümpfte die Nase. »Lieber nicht. Wenn man bedenkt, dass er der Deine hätte werden können …«
»Mhm.«
»Ich will nur noch mal festhalten, dass du deinen Mann eigentlich mir zu verdanken hast. Wenn du damals nicht mit dem guten Trent ausgegangen wärst, dann wärst du immer noch nur ein namenloses Julian-Groupie von vielen.«
Brooke lachte und küsste ihre Freundin auf die Wange. Sie angelte zwei Zwanziger aus dem Geldbeutel und steckte sie Nola zu. »Ich muss los. Wenn ich nicht in dreißig Sekunden in der U-Bahn sitze, komm ich zu spät. Rufen wir uns morgen zusammen?« Sie schnappte sich Mantel und Tasche, winkte Luca im Vorbeigehen zu und war aus der Tür.
Selbst nach all den Jahren schauderte es Brooke noch bei dem Gedanken, wie leicht Julian und sie sich hätten verfehlen können. Es war im Juni 2001, nur einen Monat nach ihrem College-Abschluss, und sie hatte Mühe, sich an ihre neue Sechzig-Stunden-Woche zu gewöhnen, die zu gleichen Teilen aus dem Aufbaustudiengang in Ernährungswissenschaft, dem Schichtdienst in der Klinik und dem
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