Champagner und Stilettos
wir bisher ohne hatten, waren vielleicht fünf Tage, und da hatte ich eine leichte Lungenentzündung.«
Julian seufzte und las weiter. »Rook, bitte mach dir deswegen keinen Kopf. Mit uns ist alles in Ordnung. Versprochen.«
Sie dachte ein Weilchen darüber nach, wobei sie wusste, dass sie eigentlich gar nicht mehr mit ihm schlafen wollte – jedenfalls nicht jetzt, wo sie so dermaßen erschossen war –, nein, sie wollte, dass er wollte.
»Hast du die Wohnungstür abgeschlossen?«, fragte sie.
»Ich glaub schon«, murmelte er, ohne aufzusehen. Er las einen Artikel über die besten Gitarrenvirtuosen Amerikas. Sie wusste, dass er nicht den leisesten Schimmer hatte, ob die Wohnungstür abgeschlossen war oder nicht.
»Was jetzt, hast du oder hast du nicht?«
»Ja, hab ich, definitiv.«
»Weil, wenn du dir nicht ganz sicher bist, stehe ich lieber noch mal auf und sehe nach. Besser eine halbe Minute lang Umstände als ein Leben lang tot«, sagte sie mit einem tiefen, theatralischen Seufzer.
»Echt?« Er kuschelte sich tiefer unter die Decke. »Da bin ich aber völlig anderer Meinung.«
»Julian, jetzt mal im Ernst. Denk an den Mann bei uns auf der Etage, der letzte Woche gestorben ist. Meinst du nicht, wir sollten ein bisschen besser aufpassen?«
»Brooke, Schätzchen, der Mann hat sich totgesoffen. Ich glaube kaum, dass eine abgeschlossene Wohnungstür daran was geändert hätte.«
Das wusste sie natürlich selbst – sie wusste über jeden Furz in dem Gebäude Bescheid, weil der Hausmeister eine Quasselstrippe war –, aber konnte Julian ihr ums Verrecken nicht mal ein bisschen Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen?
»Könnte sein, dass ich schwanger bin«, verkündete sie.
»Bist du nicht«, erwiderte er mechanisch und las weiter.
»Und wenn ich es doch wäre?«
»Aber du bist es ja nicht.«
»Woher willst du das wissen? Es passieren doch immer wieder Unfälle. Es könnte gut sein. Was täten wir dann?« Sie brachte ein künstliches Schniefen zustande.
Er lächelte und legte endlich – endlich! – die Zeitschrift weg. »Ach, Schätzchen, jetzt komm her. Bitte entschuldige, ich hab echt eine lange Leitung. Du willst kuscheln.«
Sie nickte. Du führst dich auf wie eine Zwölfjährige , schalt sie sich. Aber die Not war zu groß.
Er rückte zu ihr hinüber und nahm sie in den Arm. »Und da kommt es dir nicht in den Sinn zu sagen: ›Julian, o mein getreuer Gatte, ich möchte kuscheln. Sei so gut und schenk mir deine Aufmerksamkeit‹, statt einen Streit vom Zaun zu brechen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Natürlich nicht«, seufzte er. »Machst du dir wirklich Sorgen über unser Liebesleben, oder war das auch ein Teil der Strategie, um mich zu einer Reaktion zu bewegen?«
»Ja, es ging mir nur um die Reaktion.« Glatt gelogen.
»Und du bist nicht schwanger?«
»Nein!«, sagte sie einen Tick lauter als beabsichtigt. »Absolut, definitiv nicht.« Sie widerstand der Versuchung, ihn zu fragen, ob er es denn als Mega- GAU betrachten würde, wenn sie tatsächlich schwanger wäre. Immerhin waren sie schon fünf Jahre verheiratet …
Nach dem Gutenachtkuss (bei dem Julian es sich nicht verkneifen konnte, die Spachtelmasse auf ihrem Gesicht mit Naserümpfen und einem völlig übertriebenen Würgegeräusch zu kommentieren) wartete sie die erforderlichen zehn Minuten, bis seine Atemzüge gleichmäßig wurden, dann warf sie sich den Bademantel über und tappte in die Küche. Sah nach, ob die Wohnungstür abgeschlossen war (ja, war sie), und setzte sich an den Computer.
Anfangs hatte sie sich auf Facebook damit begnügt, das Leben und Treiben ihrer Ex-Freunde auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Zuerst die Handvoll Jungs, mit denen sie auf der Highschool und im College länger zusammen gewesen war, sowie der Knabe aus Venezuela, den sie an der Uni kennengelernt hatte und mit dem es über die paar Monate Geturtel hinaus vielleicht auch was Ernsteres hätte werden können, wenn sein Englisch bloß ein kleines bisschen besser gewesen wäre. Sie brachte sich bei allen auf den neuesten Stand und stellte befriedigt fest, dass jeder Einzelne von ihnen weniger gut aussah als in der Zeit ihrer näheren Bekanntschaft. Oft stellte sie sich dabei die gleiche Frage, die so viele Frauen von Mitte, Ende zwanzig bewegt: Wieso sahen fast alle Mädchen, die sie noch aus dem College kannte, mittlerweile wesentlich besser aus als damals, die Jungs hingegen durch die Bank fetter, kahler und steinalt?
Nach ein paar Monaten
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