Champagner und Stilettos
derartiger Facebook-Recherche hatte sie sich jedoch an den Bildern von den Zwillingssöhnen ihres Partners beim Schulabschlussball sattgesehen und machte sich auf die Suche nach Freunden aus anderen Abschnitten ihres Lebens: Leute aus dem Kindergarten in Boston, in dem sie mit Bauklötzchen gespielt hatte, während ihre Eltern noch fürs Examen büffelten; aus dem Zeltlager in den Pocono Mountains; aus der Highschool in einem Vorort von Philadelphia; Dutzende und Aberdutzende Freunde und Bekannte vom College waren dazugekommen und nun auch Kollegen, sowohl aus der Klinik wie von der Huntley Academy. Viele Freunde aus ihrer frühesten Jugend hatte sie komplett vergessen, doch wenn ihre Namen bei »Personen, die du vielleicht kennst« wieder aus der Versenkung auftauchten, sah sie immer zu, den Kontakt aufzufrischen und herauszufinden, was sich bei ihnen in den vergangenen zehn oder zwanzig Jahren so getan hatte.
So auch an diesem Abend: Sie bestätigte eine Freundschaftsanfrage von einer Spielgefährtin aus Kinderzeiten, die in der fünften oder sechsten Klasse mit ihrer Familie weggezogen war, stürzte sich dann gierig auf das neue Profil, registrierte sämtliche Einzelheiten (Single, Abschluss an der Uni von Boulder, lebt zurzeit in Denver, mag offenbar Mountainbiking und Typen mit langen Haaren) und schickte ihr dann schnell eine fröhlich nichtssagende Nachricht, die aller Voraussicht nach zugleich Anfang und Ende ihres »Wiederzusammenfindens« darstellen würde.
Sie klickte auf die Startseite, zurück zu den süchtig machenden »Neuigkeiten«, wo sie zügig die Meldungen ihrer Freunde durchging (das letzte Spiel der Dallas Cowboys, die jüngsten Großtaten ihrer Kleinkinder, ihre Verkleidungsideen für Halloween, die drei Ausrufezeichen nach »Halleluja, endlich Wochenende!!!« und die Fotos von diversen Urlaubsreisen in alle Ecken und Enden der Welt). Als sie sich auf der zweiten Seite bis ganz nach unten durchgescrollt hatte, sah sie Leos neueste Meldung, in Großbuchstaben natürlich, die ihr förmlich vom Bildschirm entgegensprangen.
Leo Walsh … BIN SCHON GANZ HEISS AUF DAS MORGIGE FOTOSHOOTING MIT JULIAN ALTER !! SOHO . SCHARFE MODELS . SCHREIBT MIR EINE SMS , WENN IHR VORBEISCHAUEN WOLLT . …
Kotz. Kotz, kotz, kotz. Zum Glück machte in diesem Augenblick ihr regulärer E-Mail-Posteingang ping – eine willkommene Ablenkung von Leos schmierigem Update.
Die Mail war von Nola – das erste Lebenszeichen seit ihrer Abreise (na ja, eigentlich das zweite, im ersten hatte nur gestanden: » RETTE MICH AUS DIESER HÖLLE !!!«). Brooke drückte rasch auf »Öffnen«. Vielleicht amüsierte sich ihre beste Freundin ja doch irgendwie? Nein, unmöglich. Nolas Urlaube tendierten eher in die Richtung Skifahren in den Schweizer Alpen/Sonnenbaden in St. Tropez/Partyspaß auf den Kapverden. Alles so oft und so teuer wie möglich und fast immer in Begleitung eines mehr als sexfreudigen Mannes, den sie eben erst kennengelernt hatte und aller Wahrscheinlichkeit nach beim Rückflug zum letzten Mal sah. Brooke war buchstäblich der Kiefer runtergeklappt, als Nola verkündete, sie habe sich zu einer Gruppenreise nach Vietnam, Kambodscha, Thailand und Laos angemeldet … und zwar allein. Unterkunft in Zwei-Sterne-Hotels und Gästehäusern, Transport per Bus. Ein einziger Rucksack für mehr als zwei Wochen. Weit und breit keine Michelin-besternten Restaurants, Limousinenservices oder Hundert-Dollar-Pediküren. Null Chance, auf der Yacht eines neugewonnenen Freunds Partys zu feiern oder auch nur ein Paar Louboutins auszuführen. Brooke hatte versucht, Nola diese Schnapsidee auszureden, hatte ihr die Fotos von Julians und ihrer Hochzeitsreise nach Südostasien gezeigt, Nahaufnahmen von exotischen Insekten, Haustieren auf dem Teller sowie ein Sammelsurium sämtlicher Hocktoiletten, auf denen sie unterwegs Station gemacht hatten, aber Nola behauptete steif und fest, es würde von A-Z super werden. Den Satz »Ich hab’s dir ja gesagt« würde Brooke sich nach Möglichkeit verkneifen, doch der Mail nach zu urteilen lief es haargenau so wie erwartet.
Grüße aus Hanoi – gegen die Menschenmassen hier ist die New Yorker U-Bahn zur Stoßzeit der reinste Golfurlaub. Es ist erst mein fünfter Tag, und ich weiß beim besten Willen nicht, ob ich bis zum Ende durchhalte. Das Sightseeing an sich ist toll, aber die Gruppe macht mich fertig. Jeden Tag springen sie wie angestochen aus dem Bett – dieser Truppe ist keine Busfahrt zu
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