Champagner und Stilettos
»Leo« – und drückte auf den Sprechknopf. »Hey, Mann, Happy Thanksgiving.« Er nickte ein paarmal, lachte und sagte dann: »Klar, okay. Ja, ich besprech’s mit ihr, aber das kann sie sicher einrichten. Yep. Wir kommen. Bis dann.«
Er drehte sich zu Brooke und grinste wie ein Honigkuchenpferd. »Rate mal, wo wir hingehen?«
»Na?«
»Wir, meine Liebe, sind zu dem mega-exklusiven VIP -Weihnachtslunch und Cocktailempfang von Sony eingeladen. Leo sagt, zu der Party abends in der Stadt geht Hinz und Kunz, aber nur die Topkünstler von Sony treffen sich mit den Top-Plattenmanagern tagsüber in irgendeinem verrückten, milliardenteuren Palast auf Long Island. Mit Auftritten von Überraschungsgästen. Transport hin und zurück per Helikopter . Über die Party ist noch nie eine Zeile geschrieben worden, weil sie so dermaßen geheim und exklusiv ist. Und wir gehen da hin!«
»Wow, das klingt ja irre. Und wann ist es?«, fragte Brooke. Ihre Gedanken kreisten schon um mögliche Outfits.
Julian sprang auf und ging in die Küche. »Am Freitag vor Weihnachten. Keine Ahnung, was für ein Datum das ist.«
Sie schnappte sich sein Handy und scrollte sich bis zum Kalender durch. »Am zwanzigsten Dezember? Julian, das ist mein letzter Tag an der Huntley vor den Ferien.«
»Und?« Er nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank.
»Und? Da haben wir Weihnachtsfeier. An der Huntley. Dafür soll ich das allererste Menü aus gesunden und trotzdem leckeren Partyhäppchen zusammenstellen. Und ich habe Kaylie versprochen, dass ich da bin, weil ihr Vater und ihre Großmutter kommen – zu der Feier sind auch die Familien mit eingeladen –, und sie freut sich schon riesig darauf, uns alle miteinander bekanntzumachen.«
Brooke hatte in den letzten Monaten bei Kaylie gewaltige Fortschritte erzielt und war entsprechend stolz darauf. Sie hatte die Termine mit ihr dichter gesetzt, viele gezielte Fragen zu Whitney Weiss gestellt und konnte nun mit einiger Sicherheit sagen, dass Kaylie zwar mit Abführmitteln liebäugelte, aber keins der Kriterien erfüllte, die eine ausgewachsene Essstörung ausmachten. Viel Reden und Zuhören und eine Menge an zusätzlicher Aufmerksamkeit hatten bewirkt, dass Kaylie einen vertretbaren Teil der allzu rasch verlorenen Pfunde wieder angesetzt und dazu auch noch mehr Selbstbewusstsein entwickelt hatte. Vermutlich das Wichtigste war aber: Sie war der Theatergruppe beigetreten und hatte für die in diesem Schuljahr geplante Aufführung der West Side Story eine heiß begehrte Nebenrolle ergattert. Sie hatte endlich Freundinnen.
Julian setzte sich wieder zu Brooke auf die Couch und schaltete den Fernseher ein. Die Lautstärke war ohrenbetäubend.
»Kannst du das leiser machen?« Sie bemühte sich, nicht gereizt zu klingen.
Er warf ihr einen seltsamen Blick zu, tat dann aber wie geheißen. »Nicht, dass ich auf deine Termine keine Rücksicht nehme«, sagte er, »aber kannst du dich nicht einfach krankmelden? Wir reden hier von Helikoptern und einem Treffen mit den absoluten Megastars von Sony Music. Meinst du nicht, das mit den Cupcakes kriegt auch wer anders hin?«
Niemals, in den ganzen fünf Jahren ihrer Ehe, hatte sie ihn je so gönnerhaft, so unglaublich herablassend erlebt. Und was das Ganze noch schlimmer machte, war sein Blick, der erkennen ließ, dass er gar nicht mitbekam, wie unausstehlich und auf sich selbst fixiert er wirkte.
»Soll ich dir was sagen? Mit Sicherheit könnte auch wer anders ›das mit den Cupcakes hinkriegen‹, wie du es so selten dämlich formuliert hast. Was ist mein alberner, belangloser Job schon im Vergleich zu so was Weltbewegendem wie deinem? Aber du hast eins vergessen. Ich mag meine Arbeit. Ich helfe diesen Mädchen. Ich habe wahnsinnig viel Zeit und Energie in Kaylie investiert, und stell dir vor, es zahlt sich aus. Sie ist jetzt glücklicher und ernährt sich gesünder als im letzten Schuljahr. Ich weiß, das steht für dich in keinem Vergleich zu Platz vier in den Charts, aber für mich ist es ein Wahnsinnserfolg. Und deshalb: Nein, Julian, ich gehe nicht mit dir zu deiner superschnieken VIP -Weihnachtsfeier. Weil ich bei meiner eigenen dabei sein will.«
Sie stand auf und musterte ihn finster, wartete auf eine Entschuldigung, auf Beschimpfungen, egal was, nur nicht das, was er tat: stur auf den stummen Fernseher zu starren und ungläubig den Kopf zu schütteln, mit einem Blick, der zu besagen schien: Ich bin mit einer Irren verheiratet.
»Schön, dann wäre das
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