Champagnerkuesschen
aufzählen, was für eine Versagerin du als Tochter hast!“
„Jetzt sei doch nicht so gereizt, schließlich wirst du bald heiraten ...“, sagt meine Mutter im Befehlston.
Ich kann ihr unmöglich sagen, dass zwischen Benni und mir gerade Funkstille herrscht! Wenn ich es ihr jetzt sage, bin ich erledigt. Eine Versagerin auf der ganzen Linie. Ohne Mann und ohne Hoffnung – zumindest in den Augen meiner Eltern.
„Mach ich nicht, Mama. Wenn Benni und ich uns trennen, dann liegt es nicht an meiner Ausdrucksweise, das verspreche ich dir.“ Das war noch nicht einmal gelogen!
Schweigen.
„Mama?“
„Entschuldige, aber ich muss deinem Vater nur kurz etwas sagen, bevor er nach draußen geht.“ Seit mein Vater in Rente ist, hat er sich eine geradezu unglaubliche Reihe an Hobbys zugelegt. Man sieht ihn seitdem ständig durch den Garten wuseln und selbst im Winter haben wir den einzigen frisch gemähten R asen in gesamt Freiburg. Lustig bunte Vogelvillen zieren mittlerweile fast jeden Baum und der ein oder andere Gartenzwerg gesellt sich zwischen die Blumenbeete. Seit Neustem hat er sogar damit angefangen, Freiburg als Miniaturstadt in unserem Keller aufzubauen. Ich bin der Ansicht, mein Vater nimmt seine Hobbys nur als Vorwand, um ein bisschen Ruhe vor meiner Mutter zu haben. Die einzige Abwechslung von seinem Leben als Vogelhaus-bauender-Gartenzwerg-pflegender Rentner bietet die wöchentliche Doppelkopfrunde mit seinen besten Freunden.
„Papa ist auch da? Ich dachte, du wärst alleine.“
„Nein, dein Vater steht gleich neben mir.“
„Dann gib ihn mir doch mal.“
„Du willst also nicht mit mir telefonieren?!“ Meine Mutter holt am anderen Ende sehr tief Luft. Ich zucke zusammen, denn das bedeutet bei ihr immer, dass sie kurz davor ist, einen hysterischen Anfall zu bekommen. Sicherheitshalber halte ich den Hörer eine Armlänge von meinem Ohr entfernt.
„Nein ... äh ... doch! Ich möchte nur auch mal mit Papa reden.“ Uff! Kein Anfall in Sicht.
Es raschelt laut. „Kläuschen, die Julia will lieber mit dir als mit mir sprechen“, schreit meine Mutter. Das ist der Moment, in dem mein Ohr zu pfeifen anfängt und ich definitiv hörgeschädigt bin!
„Hallo Mäuschen“, ertönt die Bassstimme meines Vaters.
„Hallo Papa“, versuche ich, betont fröhlich zu klingen. „Wie geht es dir?“
„Prima. Deine Mutter ist schon völlig aufgeregt wegen deiner Hochzeit.“
Oh weia!
„Aber ... tja, weißt du, da hat sich eine kleine Änderung ergeben ...“
Schweigen.
„Oh nein, Julia, nicht schon wieder!“, sagt mein Vater bestürzt.
„Nein, nein, Papa, nicht, was du denkst“, beeile ich mich zu sagen. „Es ist nur ... ach, ich habe ein ganz tolles Jobangebot von meiner Chefin bekommen. Eine Beförderung sozusagen für eine Kollegin, die ab nächsten Monat in den Mutterschutz geht. Ich darf als Auslandsreporterin arbeiten. Weißt du, da passt eine Hochzeit im Moment nicht so rein.“ Gut, Julia, das war noch nicht einmal gelogen.
„Was hat die Julia gesagt“, höre ich die aufgeregte Stimme meiner Mutter. Dann wieder lautes Rascheln.
„Sie ist befördert worden ...“, fängt mein Vater an zu erklären. „Hannelore, jetzt lass doch mal den Hörer ...“
„Julia“, kreischt meine Mutter. Anscheinend hat sie den Kampf um die Vorherrschaft am Telefon gewonnen. Hoffentlich werde ich später nicht so! Der Gedanke, dass ich meiner Mutter im Alter ähneln könnte, ist einer der Hauptgründe, warum ich Angst davor habe, alt zu werden. Ich will nicht so werden wie meine Mutter – auch, wenn ich sie sehr liebe.
„Du bist befördert worden?! Bist du jetzt die Chefin des Verlages?“, kreischt sie. „Meine Tochter, die zukünftige Chefin von Holiday Dream . Julia, ich muss gleich auflegen und die gute Neuigkeit Tante Wiltrud und meinen Freundinnen erzählen.“
„Aber Mama ...“
Sie hat aufgelegt!
In spätestens fünf Minuten denkt ganz Freiburg, dass ich die neue Chefin der Holiday Dream bin. Oh Gott, ich habe alles nur noch schlimmer gemacht. Na toll! Jetzt glauben alle, dass ich bald heirate und einen Verlag leite. Ich kann nur hoffen, dass mein Vater Schlimmeres zu verhindern weiß.
Für einen Moment überlege ich, sie noch einmal anzurufen und die Dinge klarzustellen – aber das hätte unweigerlich zur Folge, dass ich ihr die Sache mit Benni erklären muss, und dazu bin ich zu feige. Zumindest im Moment!
Ich winke dem Kellner zu und bezahle mein Wasser und den Salat. (Ich bin ja
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