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Champagnerkuesschen

Champagnerkuesschen

Titel: Champagnerkuesschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Gercke
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Zurufe.
    „Roberto!“
    „Roberto!“
    Ich recke mich ein bisschen, um zu sehen, was die Menge derart in Aufregung versetzt. Ein Typ Marke Antonio Banderas steht vor der Gruppe. Der Mann strahlt Sex-Appeal pur aus. Soviel ist sicher!
    „Hello Ladys!“, kreischt Roberto in sein Headset. „Arrre you rrrready?“ Die Frauen um mich herum erwidern Robertos Frage mit ekstatischem Gekreische! Oh mein Gott, wo bin ich denn hier gelandet?
    Ohrenbetäubend laute Musik erschüttert mein Trommelfell. Gut, dass ich mich so weit hinten positioniert habe, dann kann ich wenigstens abhauen, wenn es mir zu viel wird, ohne dass es jemand merkt. Jetzt kommt Bewegung in die Teilnehmerinnen.
    „Folge einfach meine Moves“, ruft Roberto ins Mikrofon. Eine explosive Stimmung liegt in der Luft. „Wir mache die Kombi von die letzte Mal mit eine paar neu Variationen.“
    Ich folge – aber leider nicht im Takt! Fast hätte ich die Blonde mit dem neonpinken Haarband neben mir umgehauen. Sie wirft mir einen bösen Blick zu, den ich geflissentlich ignoriere. Schließlich bin ich das erste Mal hier. Und dafür finde ich, mache ich meine Sache schon ganz gut.
    Lateinamerikanische Rhythmen hämmern aus den Lautsprechern auf mich herab, während ich mühsam versuche, Schritt zu halten. Mit Tanzen hat das hier nichts zu tun! Das ist körperlich harte Arbeit!
    In für mich unübersichtlicher Reihenfolge und viel zu schnell, verlangt Roberto uns Schrittfolgen ab, die mir gänzlich fremd sind. Mehr als einmal komme ich derart aus dem Takt, dass ich bei einem Ausfallschritt versehentlich das Schienbein meiner Nachbarin treffe oder die ganze Reihe durch Schritte in die falsche Richtung durcheinanderbringe.
    „Hey! Du da hinte?“, sch eppert Robertos Stimme an meine Ohren. Seine Aussprache klingt ein bisschen wie Jar Jar Binks aus Star Wars . Ich ducke mich instinktiv. Diese Methode habe ich schon zu Schulzeiten erfolgreich praktiziert, um nicht aufzufallen.
    „Du da mit die graue Shirt“, ertönt es erneut. Mist!
    Die Blonde dreht sich zu mir. „Hey du, Roberto meint dich!“
    Ich nicke, ohne meine Blick zu heben. Mir ist heiß, und ich schwitze wie ein Schwein. Eigentlich hätte ich selbstbewusst nach vorne treten und mich der Situation stellen sollen. Ich bin Journalistin. Ich bin eine selbstständige Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Ich bin ... zu dick!
    Bei diesem Gedanken verschwindet der letzte verbliebene Rest meines Selbstbewusstseins schlagartig. Zurück bleibt ein verschwitztes Häufen Elend mit rotem Kopf, dessen Haare unschön an der Kopfhaut kleben. Mein Selbstbewusstsein verlässt mich gerne in Situationen, in denen ich es am dringendsten nötig hätte. Was mich wiederum noch mehr verunsichert, da ich mich nicht auf seine dauerhafte Existenz verlassen kann. Ein ewiger Teufelskreis.
    Tatsache ist, dass mich bereits kleinste Bemerkungen meiner Mitmenschen aus der Fassung bringen können. Sätze wie „Die Hochsteckfrisur steht dir wirklich ausgezeichnet, da fällt die Krause in deinem Haar überhaupt nicht auf“, „Ich finde deinen Artikel klasse, egal was alle anderen sagen“ oder „Für dein Alter siehst du richtig gut aus“, werfen mein mühsam aufgebautes Selbstwertgefühl völlig über den Haufen und ich fange an zu stottern wie eine Vierzehnjährige.
    Seufz.
    „Wieeee? Du mussse lauter rede, damit ische dich verstehe kann.“ Roberto sieht erwartungsvoll zu mir.
    Mein Gesicht brennt vor Scham. „Ja“, gebe ich quietschend von mir. Blondie grunzt abfällig neben mir.
    „Guta. Am beste du, komme su mirrr nache vorne.“ Alle glotzen mich an, als ich durch die Reihen nach vorne schlängele. Die vordere Reihe ist der wahrgewordene Alptraum einer jeden übergewichtigen Frau: Ich bin den schadenfrohen Blicken meiner Mitturnerinnen gnadenlos ausgesetzt. Aber noch viel schlimmer ist die Tatsache, dass ich es ihnen nicht verdenken kann. Mein Gesicht sieht wie ein in Flammen stehendes Zündholz aus, meine Haare ringeln sich unschön und unter meinen Achseln haben sich kreisrunde Ringe gebildet. Wenn das so weiter geht, ist mein Gewicht das geringste Problem und ich brauche mehrere Therapiestunden, um mich wieder unter die Menschheit zu trauen. Als die Musik erneut startet, versuche ich, so gut es eben geht, mein Spiegelbild zu ignorieren. Nach ein wenigen Schritten finde ich mich in den Rhythmus der Musik.
    Die Musik stoppt.
    „Du musste in die Hüft locker werde. Sei sexy, sei verführerrrisch, sei ganze Frau“,

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