Champagnerkuesschen
ruft Roberto mir zu. Das dunkelhaarige Klappergestell an meiner Seite schenkt mir ein höhnisches Lächeln. Na, der werde ich‘s zeigen!
„Komm ...“ Roberto baut sich vor mir auf. Ich wage ein Lächeln. Was für ein hübscher Mann! Roberto lässt seine Hüften kreisen. Ich halte die Luft an. Wow! Ich bin kurz davor, dass meine Hormone die Oberhand über mich gewinnen und ich mich ihm zum Sex anbiete. „Mache mir einfache nach!“
Hiilfeeee! Zaghaft lasse ich mein Becken, unter den mitleidigen Blicken der anderen Teilnehmerinnen, kreisen.
„Mehr! Lass ese raus!“
Von draußen ertönen laute Pfiffe. Als ich etwas irritiert zur Glaswand sehe, die das Studio abtrennt, entdecke ich eine Gruppe von Bodybuildern, die ihr Gesicht gegen die Glaswand pressen und mir bei meinen verzweifelten Versuchen zusehen. Okay, ich habe genau zwei Möglichkeiten: Entweder laufe ich weg oder ich gebe alles!
Ohne weiter nachzudenken, bewege ich meine Hüfte zu der Musik. Ich komme mir wie Baby aus Dirty Dancing vor, nur dass Roberto hier viel besser aussieht als Patrick Swayze damals.
„Ja, ja“, höre ich Roberto. „Du haste es! Und die andere komm ...“
Ich bin schweißgebadet, habe ein hochrotes Gesicht und bin völlig außer Atem. Noch so eine Stunde und man kann mich an die Herz-Lungen-Maschine anschließen.
„Dase war schon ganzee gut. „ Roberto steht plötzlich neben mir.
Ich liebe diesen Akzent! Der klingt so niedlich! Sein Oberkörper glänzt, und seine Haut sieht aus wie mit Gold überzogen. Wow!
Ich schlucke. „Klar!“
„Roberto, Baby!“, holt mich eine Männerstimme aus meinem Tagtraum ab. Ein gut aussehender junger Mann kommt auf uns zu.
„Isch bine gleische bei dir, Baby“, ruft Roberto zurück.
Okay, damit wäre die Frage nach seinen sexuellen Neigungen auch geklärt. Hätte ich mir nach meiner Erfahrung in der Wunderbar eigentlich gleich denken können. Roberto ist schwul! In diesem Moment legt sich in meinem Kopf ein Schalter um.
Schwul?
Roberto?
Nee, oder?
Hat Harald nicht mal erwähnt, dass ...
Oh nein ...
Ich bin manchmal wirklich schwer von Begriff! Deshalb trete ich auch so oft in ein Fettnäpfchen! Das letzte Ereignis dieser Art liegt keine zwei Wochen zurück. Ich wollte gerade Kaffee aus der Cafeteria holen und bin bei der Gelegenheit fast mit Tine, einer Kollegin aus der Grafikabteilung, zusammengestoßen. Normalerweise wäre der Vorfall nicht erwähnenswert, wenn ich Unglückselige meine große Klappe gehalten hätte. Tine, die noch nie besonders schlank war, hatte nämlich ein deutliches Bäuchlein und sah auch sonst rundum wohlig aus. Also habe ich eins und eins zusammen gezählt und ihr zu ihrer Schwangerschaft gratuliert. Ein Fehler, wie sich herausstellte. Tine sah mich deutlich irritiert an und erklärte mir mit Kettensägen-Stimme, dass sie sich bereits in den Wechseljahren befinden würde und deshalb etwas an Gewicht zugelegt hätte. Also mal ehrlich, wenn man in diesem Alter noch so jung aussieht, dass man für schwanger gehalten wird, sollte man sich freuen, anstatt beleidigt zu reagieren!
Nachdenklich mustere ich Roberto. Na klar! Zumba-Roberto und Haralds Roberto sind ein und dieselbe Person!
Wie konnte ich nur so blind sein? Schließlich hängen in Haralds Wohnung diverse Bilder, die ihn und Roberto als Pärchen zeigen.
„Äh, entschuldige.“ Ich tippe Roberto auf die Schulter.
Roberto sieht mich mit großen Augen an. „Ja?“
„Äh, ich bin eigentlich nicht so direkt, und wir kennen uns ja auch nicht wirklich ... aber bist du der Roberto?“
Roberto sieht mich an, als kämen mir Würmer aus der Nase. „Wiee?“
„Nein, was ich meine ist: Bist du der Roberto, ... der mit Harald zusammen war?“
„Harald?“ Robertos Freund zuckt zusammen. Er sieht erst mich und dann Roberto an. „Meint sie den kleinen Dicken, mit dem du ein Jahr deines Lebens verschwendet hast?“ Roberto sagt gar nichts, sondern nickt mir kaum merklich zu.
„Also wirklich, Darling! Wir hatten doch gesagt, dass wir darüber kein Wort mehr reden möchten.“
Roberto steht wie ein begossener Pudel vor mir.
Oh Mann, der Typ ist ja schlimmer als meine Mutter! Nur weg hier, bevor er noch über mich herfällt und mich schlägt!
„Na ja, ist ja auch egal. Also, vielen Dank für deine Hilfe bei Zumba, und euch einen schönen Abend.“
Noch im Gehen ruft mir Roberto „Eine schöne Abende“ hinterher.
Bestimmt muss er sich dafür gleich noch eine Standpauke anhören!
8. Julias
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