Champagnerkuesschen

Monstrum aus meinem Schrank geholt. Ich muss sagen, im angezogenen Zustand sieht es gar nicht mehr so übel aus. Ich erwäge sogar, mir noch ein weiteres Teil aus der Kollektion zuzulegen. Mein Bauch ist flach und meine Taille vorhanden. Sogar mein etwas zu breiter Po hat eine knackige Apfelform bekommen.
    „Klasse! Mit dem Hintern machst du glatt JLO Konkurrenz“, kommentiert Katja meinen skeptischen Blick. „ Benni wird begeistert sein.“
    „Hoffentlich“, krächze ich. Die Bauch-weg-Hose sitzt so stramm, dass ich kaum noch atmen kann. Meine Hände sind feucht, und mein Mund ist ganz trocken. „Und was ist, wenn er mich nicht fragt?“
    „Julia, er wird dich fragen, glaub mir!“, wiederholt Katja zum hundertsten Mal an diesem Abend.
    Es klingelt!
    „Benni!“, rufen wir beide wie aus einem Munde. Mein Herz setzt für einen kurzen Moment aus.
    Katja klopft mir auf die Schulter. „Alles wird gut! Und denk dran, nicht zu viel zu essen, sonst läufst du Gefahr einen Blähbauch zu haben oder was viel Schlimmer ist, du gibst Töne von dir, die wie dein Klingelton vom Handy klingen.“
    „Du hörst dich schon wie Erika Berger“, lache ich und nehme meine Freundin ein letztes Mal in die Arme, bevor ich nach draußen zu meinem Märchenprinzen gehe.
     
     
    „Du siehst in dem Kleid absolut hinreißend aus“, flüstert mir Benni ins Ohr, während uns der Kellner zu unserem Tisch in der 20 up Bar führt. Die Bar liegt, wie der Name schon verrät, im zwanzigsten Stock des Empire Riverside Hotels. Eine megacoole Location. Genau der richtige Ort für einen Heiratsantrag!!!
    „Wie hast du das denn gedreht, hier einen Tisch zu bekommen?“, frage ich erstaunt.
    „Ich habe mit der Chefin geschlafen“, antwortet Benni und grinst.
    „Nein, jetzt mal ehrlich“, dränge ich. „Der Schuppen ist doch immer schon Wochen im Voraus ausgebucht.“
    „Manchmal hat es seine Vorteile, wenn man eine Sekretärin beschäftigt, die mit dem Koch befreundet ist.“ Er beugt sich zu mir herunter und gibt mir einen Kuss. Die Schmetterlinge in meinem Bauch heben ab. Und meine Beine verwandeln sich in Pudding. Der Kellner räuspert sich und deutet auf unseren Tisch. Kichernd setzen wir uns.
    Das 20 up macht seinem Namen alle Ehre. Vor den riesigen Panoramafenstern liegt uns Hamburg mit dem Hafen zu Füßen. Die Elbe glitzert träge in der Abendsonne.
    „Wunderschön, nicht?“ Ich bin ganz verzaubert von dem Anblick. Wieder einmal mehr stelle ich fest, dass Hamburg meine Traumstadt ist. Der Kellner bringt uns zwei Aperol Sprizz .
    „Auf einen ganz besonderen Abend“, prostet mir Benni zu.
    „Auf dich“, füge ich hinzu. Der Aperol Sprizz schimmert rotgolden in unserem Glas wie die untergehende Sonne über der Hafencity.
    „Auf uns“, verbessert mich Benni und bringt mein Herz erneut zum Hüpfen. Gleich ist es so weit, frohlocke ich innerlich und nehme einen tiefen Schluck.
    Noch wenige Minuten, und mein Traumprinz wird vor mir niederknien und um meine Hand anhalten. Ich höre schon die Glocken läuten.
    Ich schlage meine Beine damenhaft übereinander und verharre erwartungsvoll einen kurzen Moment – aber nichts passiert.
    „Auf die Überraschungen des Lebens“, prostet er mir geheimnisvoll zu.
    Das ist bestimmt ein Hinweis! Unauffällig untersuche ich den Inhalt meines Glases, bevor ich es zum Trinken an meine Lippen setze. Männer kommen ja auf die wildesten Ideen, um ihren Frauen einen Antrag zu machen. In meinem Glas ist definitiv kein Ring, der lustig zwischen den Eiswürfeln schwimmt!
    Ich nehme einen Schluck. Eigentlich wollte ich ja nur nippen, aber das Zeug schmeckt wirklich köstlich! Mein Magen macht einen kleinen nervösen Hüpfer.
    „Du siehst toll aus in dem Kleid“, sagt Benni und blickt mir dabei tief in die Augen. „Sag mal, hast du abgenommen?“
    Seufz! Benni ist mein zu Fleisch gewordener Traummann, aber das wusste ich schon vor heute Abend. Vergessen sind die kleinen atmosphärischen Störungen der letzten Monate.
    „Vielleicht so ein, zwei Kilöchen.“
    Ich kichere wie ein Backfisch. Als ich wieder hochblicke, steht der Kellner neben mir und stellt eine Schale mit Nüssen vor uns auf den Tisch. Pinke Nüsse! Das muss man sich mal vorstellen. Einen Moment lang frage ich mich, ob die wohl echt sind. Ich will schon meine Hand danach ausstrecken, als mir meine Diät wieder in den Sinn kommt. Okay, für mich gibt es heute definitiv keine Nüsse, auch wenn sie pink sind und absolut verlockend aussehen.