Champagnerkuesschen
solltest! Du wolltest dich mehr um mich kümmern. Du hast gesagt, dass du dir mehr Zeit für unsere Beziehung nimmst. Seit einem Jahr kümmerst du dich von morgens bis abends um diesen doofen Verlag. Und jetzt erzählst du mir, dass du ein weiteres Verlagshaus in München eröffnen wirst, was zur Folge hat, dass du noch mehr weg bist. So langsam bekomme ich den Eindruck, dass dir der Verlag wichtiger ist, als ich.“
„Das kannst du mir nicht vorwerfen. Schließlich haben wir letzte Woche deinen Geburtstag zusammen gefeiert und heute essen gehen wir essen.“
„Aber was ist mit morgen oder die nächsten Tage?“ Verzweifelt nehme ich einen Schluck aus meinem Glas. „Ich möchte nicht mit deiner Sekretärin telefonieren müssen um einen Termin bei dir zu bekommen. Ich will mit dir zusammen sein, mit dir ins Kino gehen, Freunde besuchen, Sex haben, gemeinsam Tatort schauen ...“
„Du hasst Tatort !“, unterbricht mich Benni.
„Du weißt genau, was ich meine...“ Ich gerate ins Stocken. „Ich möchte, das alles wieder so wird, wie es war –– wie vor einem Jahr.“
„Meinst du, mir geht es nicht so wie dir?“ Benni schiebt sein Glas ein Stück weg von sich. „Glaubst du wirklich, ich bin gerne von morgens bis abends für den Verlag unterwegs, anstatt die Zeit mit dir zu verbringen? Glaubst du das wirklich?“
Ich schüttele den Kopf. „Nein. Aber warum tust du es dann?“
Bennis Stirn liegt in Falten. „Weil es meine Pflicht ist. Dieser Verlag ist das Lebenswerk meiner Mutter, und sie hat es mir überlassen. Ich kann nicht einfach alles liegen lassen und hoffen, dass sich die Dinge von selbst erledigen. Und diese Sache mit München ist groß – ganz groß!“
„Aber wir? Denkst du denn überhaupt nicht an uns? An mich?“ Mir ist schwindelig. Meine Gedanken überschlagen sich. Hilfe! Hilfe! Universum!
Wir schweigen uns an wie zwei Fremde.
Benni nimmt meine Hand in seine, wo sie bleischwer liegen bleibt. „Julia, ich wusste ja nicht, dass du ...“ Er überlegt. „Ich habe ja nicht geahnt, dass dir sie Sache mit dem Verlag so an die Nieren geht.“
„Das ist ja das Problem. Ich finde es ja toll, wie du neuen Schwung in den Verlag bringst. Ich bewundere dich dafür, aber ich will dich nicht pausenlos teilen müssen.“ Ich schlucke, in der Hoffnung, dass der Kloß in meinem Hals verschwindet.
Benni sieht mich mit ernster Miene an. Ich senke meinen Kopf. Ich kann ihm jetzt nicht in die Augen sehen, sonst breche ich auf der Stelle in Tränen aus.
Meine kleine Seifenblase vom großen Glück ist soeben zerplatzt. Ich hatte gedacht, dass ich heute meine Verlobung feiern würde, und stattdessen verkündet mir mein Freund, dass er noch häufiger unterwegs und öfter weg von mir sein wird. Die ganze Sache, dieser ganze Abend ist ein einziger Albtraum.
„Julia ...“ Benni spielt gedankenverloren mit dem Messer.
Ich schweige weiter. In meinem Kopf herrscht absolute Leere. Kraftlos lasse ich meine Arme sinken.
„Mit Schweigen machst du alles nur noch schlimmer.“ Das Messer stößt klirrend gegen den Teller.
„Aha“, würge ich hervor. Zu mehr bin ich im Moment nicht fähig.
„Du musst schon mit mir reden, wenn ich dich verstehen soll“, sagt Benni. Sein Mund ist kaum mehr als ein Strich.
„Okay.“ Ich hole tief Luft. Ich kann nicht.
Der Kellner kommt und räumt unsere Teller ab.
„Was denkst du gerade?“ Benni lehnt sich in seinem Stuhl zurück.
„Ich weiß nicht, was ich denken soll“, sage ich mit gebrochener Stimme. „Ich bin dreißig Jahre alt. Meine biologische Uhr tickt. Ich will ein Heim, eine Familie und ich will dich.“ So, jetzt ist es raus. „Ich will nicht die nächsten zehn Jahre damit verbringen, auf dich zu warten. Ich bin völlig durcheinander.“ Eine einzelne Träne bahnt sich ihren Weg und kullert über meine Wange. „Entschuldige.“ Ich schniefe leise.
Bennis Zeigefinger streicht die Träne sanft aus meinem Gesicht. „Nicht weinen. Ich kann es nicht ertragen, dich weinen zu sehen.“
„Ich weine ja gar nicht”, entgegne ich und hebe trotzig das Gesicht.
Benni gibt dem Kellner ein Zeichen. „Ich denke, es ist besser, wir gehen.“ Der Mann nickt und verschwindet hinter dem Tresen. „Oder wolltest du noch ein Dessert?“ Benni ganz Gentleman, wie immer.
Ich muss lachen, obwohl mir nicht nach Lachen zumute ist.
„Na siehst du“, lächelt Benni, „ist doch alles nur halb so schlimm.“
Der Kellner kommt mit der Rechnung. Benni bezahlt.
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