Champagnerkuesschen
einem Glas Wein!? Wohl kaum.“ Katja schnaubt verächtlich. „Lass die Finger davon, solange du die Sache mit Benni nicht ordentlich geklärt hast.“ Eine ältere Frau drängelt sich an mir vorbei. Ich mache einen Schritt zur Seite und stoße gegen Harald, dem die Olive aus dem Mund hüpft.
„Liebelein, sie sollte etwas vorsichtiger sein.“ Harald streicht sich mit seinen Fingern durch die Haare und hinterlässt eine kleine Ölspur. Das sage ich ihm aber lieber nicht, sonst bricht er wohlmöglich in einen hysterischen Heulkrampf aus. Bei seinen Haaren versteht Harald keinen Spaß.
„Wie meinst du das jetzt?“, frage ich.
„Bitte?“ Harald schiebt sich eine zweite Olive in den Mund.
„Na, mit dem Vorsichtig sein.“
„Ach so.“ Harald schluckt. „Wegen der Leute, sonst verletzt sie mit ihrer impulsiven Art noch jemanden.“
Schweigend verlassen wir den Isemarkt .
Ich starre jetzt seit bestimmt fünf Minuten auf mein Handy. Was soll ich Andreas antworten? Ein Glas Wein ist doch nichts Verwerfliches, oder? Andreas ist nett – wirklich nett. Der könnte mit Hunderten von Frauen ein Glas Wein trinken gehen. Warum also gerade mit mir?
Selbstanalyse Julia Zoe Löhmer:
Anfang dreißig (gerade erst geworden, also quasi noch neunundzwanzig), ein paar Kilo Speck zu viel auf den Rippen (woran ich arbeite und was man dank Bauch-weg-Hose nicht so sieht), ein ansonsten gepflegtes äußeres Erscheinungsbild (hübsche Augen, voller Mund, ordentlich gezupfte Augenbrauen), zu große Füße (fallen zum Glück nicht sofort auf, da ich meine Schuhe eine Nummer zu klein kaufe), funktionierende Eierstöcke (laut Frauenarzt, ausprobiert habe ich sie ja noch nicht), Hang zur Dramatik (laut meiner Freunde), Akademikerin (mit einem starken Hang zur Naivität), hohes Redepotenzial (meine Tante Mausi meint immer, man müsse nach meinem Tod mein Mundwerk extra totschlagen ... danke dafür!), sechs Exfreunde (womit ich, laut Harald, quasi noch Jungfrau bin), Vorliebe für Missionarsstellung (kann man ändern, wenn auch ungern), ein Stofftier im Bett (eine alte Angewohnheit), Besitzerin unzähliger Liebesromane (ich liebe Happy Ends) und Facebookerin (nach Katjas Definition bin ich computersüchtig).
Fazit zu meiner Person: null Starpotenzial.
Erkenntnis: Ich muss zu diesem Treffen mit Andreas Neumann gehen, damit er erkennt, dass ich überhaupt nicht der Typ Frau bin, auf den Männer wie er stehen. Ich tue also etwas Gutes, wenn ich ihm jetzt antworte.
Andreas Neumann . Der Name löst leichtes Herzrasen bei mir aus. Das geht ja wohl gar nicht, schließlich bin ich kein Teenager mehr! Also, Julia, reiß dich zusammen und ruf den Kerl an.
Ich wähle seine Nummer.
„Hallo Andreas?“
Pause.
„Julia!“ Er klingt ein wenig überrascht.
Wow! Er hat mich sofort erkannt. Wahnsinn!
„Ich wollte mich nur kurz bei dir melden“, beginne ich so unverfänglich wie möglich.
„Bitte, leg nicht gleich wieder auf.“ In seiner Stimme schwingt ein Lachen mit. „Ich freue mich, deine Stimme zu hören.“
„Nein. Mache ich nicht, schließlich habe ich dich angerufen. Weiß du, das letzte Mal war nur wegen ...“
„Schon gut. Du bist mir keine Erklärung schuldig. Ich freue mich einfach, dass du anrufst.“
Wir schweigen ein paar Sekunden.
„Wie geht es dir denn so?“, breche ich das Schweigen. Oh nein, was für eine blöde Frage. Das ist echt Teenagerniveau.
„Gut ... jetzt, wo du anrufst.“
Gott sei Dank kann er nicht sehen, wie ich rot werde.
„Sag mal, wegen deiner Einladung ...“
„Ich dachte mir, wir wiederholen unseren Abend von neulich. Im Sender ist es momentan relativ ruhig. Wie sieht es bei dir aus? Wann hast du Zeit?“
Jetzt nur nicht zu schnell einknicken! Sonst denkt der noch, ich sei leicht zu haben. „Morgen! Wie wär‘s mit morgen Abend?“
„Ausgezeichnet! Was hältst du von acht Uhr?“
„Acht Uhr klingt super. Okay, dann bis morgen.“ Ich habe aufgelegt. Der Mann muss denken, ich habe einen an der Klatsche! Mein Herz klopft wie nach einem Dauerlauf.
Was habe ich getan? Oh mein Gott! Ich bin ein so schlechter Mensch. Kaum habe ich eine Beziehungskrise, treffe ich mich mit einem anderen Mann. So was ist doch sonst eigentlich meine Art. Auf der anderen Seite bin ich Benni doch zu gar nichts verpflichtet. Wir wohnen ja noch nicht einmal zusammen! Und nach dem letzten gemeinsamen Abend herrscht sowieso Funkstille zwischen uns. Ich bin, wenn man es genau nimmt, noch Single. Wäre
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