Champagnerkuesschen
ich Bennis Frau fürs Leben, hätte er mir nicht die blöden Ohrringe, sondern einen Verlobungsring geschenkt.
Ich lege das Handy auf meinen Nachtisch. Das Beste wird sein, ich schlafe eine Nacht über die Angelegenheit. Im Notfall sage ich einfach kurzfristig wieder ab.
„Endlich!“, empfängt mich Katja. Sie trägt eine ausgeleierte Yogahose und Hauspuschen, die aussehen wie kleine rosa Bärentatzen. Für Katjas Verhältnisse eine echte modische Entgleisung. Aber Sergej hat ihr die Dinger aus China mitgebracht, seitdem trägt Katja sie. Das ist ein echter Liebesbeweis.
„Was hast du denn die ganze Zeit in deinem Zimmer gemacht?“
„Ach nichts. Ich habe noch ein paar Seiten gelesen.“ Ich gähne zur Bekräftigung meiner Worte. Ich kann Moralapostel-Katja auf keinen Fall erzählen, dass ich mich mit Andreas Neumann treffen werde. Katja würde mich in der Luft zerreißen, wenn sie das erführe.
„So, so.“ Katja mustert mich streng. Sie ahnt es. Ich weiß. Ich hasse es, meine beste Freundin anzulügen, aber in diesem Fall ist es auch keine richtige Lüge, sondern eher eine Notlüge. Ich finde, das ist legal, da ich ja nur zu ihrem Schutz lüge. Katja würde sich nur unnötig aufregen.
„Tja, ich hol dann mal die Gläser“, sage ich und gehe in Richtung Küche. „Wo bleibt eigentlich Harald?“ Themawechsel!!
„Der wollte nur kurz ´ne Flasche Holunderküsschen von sich zu Hause holen“, meldet Katja.
Wie auf Kommando klingelt es an der Haustür. Ich schicke ein stummes Dankgebet ins Universum.
„Wenn man vom Teufel spricht“, grinst Katja und öffnet die Tür.
„Liebeleins!“, quietscht Harald und stürmt ins Zimmer. Er ist nicht alleine. An seiner Seite steht der Pfleger aus dem Krankenhaus. Im Gegensatz zu uns hat sich Harald mächtig in Schale geworfen. Er trägt eine hautenge schwarze Hose und darüber ein weißes Seidenhemd. Zusammengehalten wird das Ganze durch einen mit Nieten besetzten schwarzen Ledergürtel. Der Pfleger sieht in seinen Jeans und dem Poloshirt völlig normal aus.
„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat – aber ich habe auch einen guten Grund für meine Verspätung.“ Harald gibt Wolfgang einen Kuss. Dafür muss er sich auf die Zehenspitzen stellen, was wirklich komisch aussieht.
„Hallo Wolfgang“ begrüße ich ihn. „Schön, dass du mitgekommen bist. Du musst allerdings unseren Aufzug entschuldigen.“ Ich deute auf meine Hello Kitty -Schlafanzughose und Katjas Hausschuhe. „Wir hatten eigentlich vor, mit Harald einen Mädelsabend zu verbringen.“
Das ist ja das Schöne, wenn man einen schwulen besten Freund hat. Man kann alles mit ihm teilen und muss sich in keinerlei Hinsicht verstellen. Als ich Haralds Mutter mal darauf angesprochen habe, ob sie ein Problem damit habe, dass ihr einziger Sohn schwul sei, hat sie mich nur milde angelächelt.
„Kindchen, ich wäre traurig, wenn er es nicht wäre. Was kann einer Mutter Besseres passieren als einen schwulen Sohn. Mein Manuel ist ein sensibler Junge, mit dem ich mich bestens über Themen wie Sex, Mode und Styling unterhalten kann. Ich bin stolz, seine Mutter zu sein.“ Gertrud Vögler ist der einzige Mensch, der Harald bei seinem wirklichen Namen ansprechen darf.
„Ohne meine Mutter wäre ich nie zu dem geworden, was ich heute bin. Meine Mutter hat mir alles, was ich weiß, beigebracht. Diese Frau hat ihren guten Stil mit der Muttermilch aufgesaugt“, erklärt Harald immer, wenn ihn jemand auf seine Mutter anspricht.
Ich mag Haralds Mutter, weil sie einen gesunden Menschenverstand hat und dazu noch einer der ehrlichsten Personen ist, die ich kenne.
„Ich habe Harald gleich gesagt, dass es vielleicht keine so gute Idee ist, euch so unangemeldet zu überfallen ...“, antwortet Wolfgang entschuldigend. „... aber Harald meinte, es sei völlig in Ordnung, wenn ich mitkomme.“
Gott sei Dank, nicht noch einer, der mit uns in der dritten Person redet! „Na klar. Wir freuen uns. Nicht wahr, Katja?“
Katja nickt.
Gemeinsam gehen wir in die Küche. Hier duftet es sonst immer lecker nach Essen. Harald schnüffelt wie ein Trüffelschwein, als er die Küche betritt. „Sagt mal, Liebeleins, was riecht denn hier so penetrant? Hat einer von euch beiden gepupst?“
Katja wirft mir einen bösen Blick zu. „Das sind die letzten herumschwirrenden Duftmoleküle von Julias Kohlsuppentag“, erklärt sie und reißt das Fenster auf.
„Also, ich rieche nichts“, erklärt Wolfgang und zwinkert mir
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