Champagnerkuesschen
ich meine Leidensgenossinnen nicht und am allerwenigsten mich selbst! Wütend schmeiße ich mich auf die andere Seite des Bettes. Der Gedanke, dass ich irgendwann alleine bin und feststellen muss, dass ich jahrelang auf den Falschen gewartet habe, ist allerdings auch nicht sonderlich prickelnd.
Ich sehe mich schon, wie ich unter dem Weihnachtsbaum sitze: verbittert, faltig und ganz alleine. Den Blick auf die Flimmerkiste gerichtet. Während Katja und Sergej im Kreise ihrer Familie gemütlich Geschenke auspacken, umringt von einer Schar Kinder, die alle wie Katja und Sergej aussehen. Glückliche Gesichter, Freude und Geborgenheit. Und Katja sagt zu Sergej: „Schatz, wir sollten Julia anrufen und sie fragen, ob sie mit uns zu Abend essen will, schließlich ist die Arme völlig alleine. Sie hat doch niemanden außer uns.“ Und Sergej stimmt mit einem mitleidigen Ausdruck auf dem Gesicht zu.
Ich will kein Mitleid!
Ich will einen Mann!
Ich will Liebe.
Ich will Sex!
Aber mit wem? Benni? Andreas? Benni? Andreas?
Seufzend schließe ich die Augen und warte, dass der Schlaf endlich kommt.
16. Julias Facebook-Status: Friends will always be friends!
Ich bin mit meinen Nerven völlig am Ende. Der Abend mit Andreas – der Kuss. Ich weiß überhaupt mich mehr, wo mir der Kopf steht. Außerdem knurrt mein Magen ganze Konzerte, und ich könnte einen Bären verspeisen. Katja kommt aus der Küche, in der einen Hand eine dampfende Tasse Kaffee, in der anderen einen Teller, auf dem eine Köstlichkeit thront.
„Ist das ein Schokoladenmuffin?“, frage ich.
„Ja, lecker, nicht?“, antwortet Katja und lässt sich mit einem seligen Gesichtsausdruck neben mir aufs Sofa fallen.
Ich starre wie hypnotisiert auf den Muffin. „Kann ich auch ein Stückchen davon abhaben?“
„Nee, Julia. Das ist der letzte Muffin, und außerdem machst du gerade Diät“, antwortet Katja kalt lächelnd. „Wer schön sein will, muss leiden. Du hast gestern Abend mit der Pizza schon genug gesündigt.“
„Aber ich möchte doch nur ein klitzekleines Stückchen“, bettele ich. „Außerdem bin ich frustriert, und da braucht mein Körper Zucker!“
„Jetzt sei doch vernünftig, Julia. In der Küche sind noch frische Biomöhren. Nimm dir doch davon eine“, schlägt sie vor. „Die haben natürlichen Zucker.“
„Ich soll eine Biomöhre essen, anstatt ein winziges Stückchen von deinem leckeren, saftigen Muffin zu probieren?“ Ich schüttele den Kopf. „Das meinst du jetzt nicht ernst!“
„Du müsstest dich mal hören! Du klingst wie ein kleines Kind.“
„So komme ich mir auch vor.“ Meine Hand schnellt nach vorne, und ich schnappe mir den Muffin.
Katja sieht mich völlig perplex an. „Hey, das ist mein Muffin. Leg ihn sofort wieder hin!“
„Du bist echt bescheuert!“, blaffe ich sie an und lecke mit der Zunge einmal um den Muffin herum. „Hier, da hast du deinen Scheißmuffin.“ Ich knalle das begehrte Teilchen auf den Teller. Meine Spucke glänzt auf dem braunen Gebäck.
„Sag mal, hast du sie nicht mehr alle?“ Katja glotzt mit riesigen Augen auf den abgeleckten Muffin.
Ich will gerade antworten, dass sie schuld daran ist, als Katja sich die Tasse auf dem Tisch schnappt und einmal mit der Zunge über den Rand leckt. „So, jetzt sind wir quitt. Bon appetit!“
Ich fange an zu kichern.
„Was ist so komisch?“, fragt Katja.
„Hihihi ... du ... du hast die Tasse von dem Versicherungsheini mit dem fetten Herpesbläschen auf der Lippe abgeleckt, der heute Morgen hier war!“ Ich breche lachend zusammen.
„Waaas?“ Katjas Augen sprühen Feuer.
„Dafür hast du mir nichts abgegeben. Hihihi!“, verteidige ich mich.
„Igiitt!“ Katja springt auf, und ich höre, wie sie in der Küche gurgelt. Zwei Minuten später kommt sie wieder zurück ins Wohnzimmer. An ihrer Oberlippe hängt noch etwas Zahnpasta. Ich weiß, es ist doof von mir, aber ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. So außer Fassung habe ich Katja selten gesehen.
„Das ist wirklich das Letzte! Meine beste Freundin lässt mich die Tasse von der Herpesschleuder ablecken.“ Sie steht mit verschränkten Armen vor mir. Ihre Augen funkeln mich böse an.
„Und du lässt mich am langen Arm verhungern“, werfe ich ihr an den Kopf. „Außerdem hörst du dich schon an wie eine Mischung aus Tine Wittler und der Super Nanny .“
„So ein Quatsch. Tine Wittler ist sehr sympathisch, und die Super Nanny hilft armen, aus der Bahn geratenen Familien. Mir
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