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Champagnerwillich: Roman

Champagnerwillich: Roman

Titel: Champagnerwillich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
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seines Praktikanten ein schlechtes Gewissen bekommt und von der schlechten Laune seines Chefs überschwemmt wird. Ich finde, man sollte ein extra Montagmorgen-Gehalt einführen. So ähnlich wie Schmerzensgeld oder einen Bonus für besondere Leistungen.
    Ich sitze gelangweilt im Büro und bin gerade damit beschäftigt, das obere Ende eines Milchbrötchens in meinem Latte macchiato zu versenken, als Herr Besörski hereingeschneit kommt und ein Aufsehen macht, als würde die gesamte erste Etage in meterhohen Flammen stehen. Sein Hals ist auf die Größe einer Wassermelone angeschwollen und fast dicker als sein Kopf. Ich befürchte, er wird gleichexplodieren und mit seinen Überresten mein Nadelstreifenkostüm vor dem Umtausch bewahren.
    »Frau Schöneberg, warum arbeiten Sie nicht?«
    »Weil ich Sie nicht kommen gesehen habe«, grummele ich vor mich hin.
    »Was?«
    »Ich befinde mich gerade in einer kreativen Phase.«
    »Aha, verstehe. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Ihre heutige Präsentation des PR-Events für Softilette in den Firmengebäuden von FußBett stattfindet. Nehmen Sie Ihren Praktikanten mit. Herr Schrammbaum leistet wirklich prima Arbeit.«
    »Selbstverständlich, Herr Besörski.«
    »Und besorgen Sie sich die Absatzzahlen der Firma FußBett von Frau Berger.«
    »Selbstverständlich.«
    »Moment mal. Wo ist Herr Schrammbaum eigentlich? Ich sehe ihn nicht.«
    »Sie sehen ihn nicht. Aha! Dann wird er wohl nicht hier sein.«
    »Das seh ich selbst!«
    »Klar. Wir sind ja nicht meschugge.«
    »Na, na. Nun sprechen Sie mal lieber nur für sich. Wissen Sie, wir beide haben so viel gemeinsam wie mein Platingolfausweis mit Ihrer Minigolfabrisskarte. Wo steckt denn nun Ihr Praktikant?«
    »Ich habe Herrn Schrammbaum mit einer firmenexternen Recherche beauftragt.« (Firmenextern = privat. Recherche = Shopping. Auftrag = Designerhandy zum Fast-geschenkt-Preis.)
    »So, so. Verstehe. Na dann.«
    Herr Besörski rauscht nicht ohne Grummeln auf den Lippen aus dem Büro.
    Vinzenz rauscht ins Büro. Mit einem Lächeln auf den Lippen. Und neuem Designerhandy am Ohr.
    Dazwischen lag eine Stunde voller Erholung. Habe ein Louis-Vuitton-Reisegepäckset bei Ebay ersteigert, und die Präsentation von Softilette liegt frisch ausgedruckt auf meinem Schreibtisch. Kurzfristige Gedankensplitter versuchten mir zu sagen, ich solle die Power-Point-Präsentation noch einmal durchgehen, aber ich bin der Meinung, wer proben muss, kann eh nichts! Das halbe Leben besteht aus Improvisation und Entertainment, und im Business ist es weit mehr als die Hälfte. Wie beschrieb es einst schon John Lennon: »Life is what happens while you are making other plans!«
    Vinzenz schaut mich an: »Ach Jil, der Chef meinte, es wäre ein prima PR-Gag, wenn du die Softiletten bei der Präsentation heute auch selbst tragen würdest. Er sprach von einem »Ad oculus« -Effekt und dass er auf das Adjustieren seiner Mitarbeiter in Zukunft noch mehr Wert legen möchte.«
    »WAS?«
    »Ich finde die Idee ja auch etwas komisch, aber der Chef besteht darauf.«
    Ich kann’s nicht glauben. Ich dachte, es wäre ein Einzelfall gewesen, als mir Pamela auf die Frage nach den Absatzzahlen antwortete: »Aber Frau Schöneberg, die Schuhe haben doch gar keinen Absatz.« Aber die Anwandlungen meines Chefs scheinen meine These zu bestätigen, dass unter dem Firmengebäude vor Jahren irgendwelche giftigen Chemikalien vergraben worden sein müssen, die nun langsam den Verstand der Mitarbeiter vernebeln. Was auch meine Schläfrigkeit im Büro, meine exzessiven Shoppingfeldzüge und mein omnipräsentes Gefühlschaos erklären würde. Ich bin Opfer meiner Umwelt. Ich muss sofort Erin Brockovich anrufen!
    Aber der Chef besteht darauf!
    Also, gut. Ich adjustiere!
    Nervös renne ich mit einem Paar Softiletten unterm Arm zur Damentoilette, um meine Nylons auf Löcher hin zu untersuchen. Zum Glück haben wir keine Klofrau. Die würde mich für verrückt erklären, so oft wie ich diese Örtlichkeit besuche. Aber die Toilette ist für mich nun mal wie die Wade meiner früheren Kindergärtnerin, hinter der man sich vor ungezogenen Kindern verstecken konnte: vertraut, Schutz spendend, erholsam und ungefähr genau so erotisch!
    Hektisch lasse ich mich auf den Klodeckel sinken und fingere ungeschickt an meinen Jimmy-Choo-Pumps herum. Ich hatte Jahrzehnte nach ihnen gesucht, jahrelang dafür gearbeitet und Stunden gebraucht, um mich heute Morgen dafür zu entscheiden, sie anzuziehen. Aber es ist

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