Champagnerwillich: Roman
Risiko. Aber wer niemals einsteigt oder ihn vorzeitig verlässt, hat in jedem Fall verloren.«
»Hmmm. Das heißt also, wenn man die Liebe sucht, dann sollte man niemals und unter keinen Umständen die Treppe benutzen, wenn es einen Aufzug gibt?«
»Das ist vollkommen richtig!«
»Verstehe.«
Zwei Stunden später laufe ich die Treppen zu Marks neuer Praxis hinauf, um ihm bei letzten Vorbereitungen für die Eröffnung zu helfen.
»Kannst du mal bitte im Untersuchungszimmer gucken, in welchem Karton die Sektgläser sind?« Mark beugt sich zu mir herüber und wischt sich den Schweiß von der Stirn.
»Ja, klar. Ich hätte nicht gedacht, dass man eine Praxis so schnell einrichten kann.«
»Na, von schnell kann wohl keine Rede sein. Ich arbeite jetzt schon seit einer Woche Tag und Nacht, um bis zur Eröffnung morgen alles fertig zu haben. Wenn du heute Abend nicht noch vorbeigekommen wärst, hätte ich es aber wahrscheinlich nicht rechtzeitig geschafft. Danke für deine Hilfe, Jil.«
»Was tut man nicht alles für einen guten Freund.«
Mark senkt den Blick.
»Ich glaube, wir sind fertig.« Erschöpft rutscht er auf den frisch verlegten Boden und lehnt sich mit dem Rücken an die Heizung.
»Komm her, Jil. Wenn du hier sitzt, kannst du durch das Dachfenster die Sterne sehen.«
»Das ist ja unglaublich.« Und damit meine ich nicht den Sternenhimmel, sondern viel mehr meinen rasend schnellen Puls, seit ich neben Mark auf dem Boden sitze. Was für eine eigenartige Faktizität! Was ist denn bloß los mit mir? Ich fühle mich auf einmal wie auf einem Flug mit bisher unbekanntem Reiseziel.
»Wie geht es eigentlich Nathan?« Aha, ja genau. Nathan. Mein Ticket in die Realität!
»Tja, wie soll es ihm gehen. Ich denke, es ist alles in Ordnung.« Könntest du bitte aufhören, mich so anzusehen!
»Du solltest das lieber lassen.«
»Ich verstehe nicht?«
»Ich meine, du solltest das mit Nathan lieber lassen. Ich finde, ihr passt nicht zusammen.«
»Aber Mark, du kennst Nathan doch gar nicht.«
»Doch. Ich habe ihn doch mit dir mal im Flur getroffen.«
»Da habt ihr keine drei Sätze gesprochen.«
»Aber ich hatte ein unwohles Gefühl.«
»Was ist das? Männliche Intuition?«
»Nein.« Mark blickt für einen Moment in den Sternenhimmel und wieder zurück zu mir.
»Das ist Liebe!«
Oje. Mein Herz schmilzt wie eine Tafel Schokolade im Hochsommer in einem Cabriolet, und ich versuche, meinen schnellen Puls zu bremsen.
»Ich denke, du passt nicht zu Nathan, weil mein Herz mir sagt, dass du zu mir gehörst.«
Ich gehöre also zu Mark? Tja, was soll ich machen, ich liebe Besitz ergreifende Männer. Ich schließe meine Augen und höre intensiv meinem Herzen zu. Küss ihn, küss ihn.
Küss ihn. Küss ihn.
Klappe!
Ich gehöre zu Nathan. Ich liebe Nathan.
Es wird zu keinem Rezidiv mit Mark kommen.
»Mark. Manchmal spielt einem das eigene Herz einen Streich.«
»Meinst du damit mein Herz oder deines?«
Wenn ich das nur wüsste! Aber die Gnostik ist für mich anscheinend wie ein geschlossenes Buch!
Einige Sternschnuppen später begleitet mich Mark zu meiner Wohnung, um mich dann wie immer ungeküsst vor der Tür stehen zu lassen. Er hat das Richtige getan und sich wie ein Gentleman verhalten. Aber warum tun Männer immernur dann das Richtige, wenn sie lieber das Falsche tun sollten? Das ist wie mit Exfreunden, die dich nach der Trennung fragen, wie es dir geht und ob du das auch alles gut verkraftest. Das braucht nun wirklich kein Mensch. Da hat kalter, koffeinfreier Kaffee mehr Daseinsberechtigung. Warum weiß man in der Liebe manchmal einfach nicht, was man will? Und wieso möchte man die Dinge immer dann am meisten, wenn sie unerreichbar scheinen? Ich meine, ist es wirklich die Liebe, die uns in einem solchen Moment antreibt, oder stellt der Reiz des Unerreichbaren die weitaus größere Versuchung dar?
Meine Güte, ich muss mir dringend mal wieder ein paar Frauenzeitschriften kaufen!
Gelernte Wörter: Faktizität = Gegebenheit;
Rezidiv = Rückfall;
Gnostik = Lehre von göttlichen Geheimnissen.
12
DAS SCHÖNSTE IM LEBEN
IST
SHOPPING!
H err Schnüttge.«
»Frau Schöneberg.«
»Glauben Sie eigentlich an das große Glück? Ich meine, gibt es so etwas wie Glück überhaupt, oder ist das nur ein durch Illusionen herbeigeführter Geisteszustand? Und wenn es das Glück gibt, kann es dann passieren, dass man einfach unbemerkt daran vorbeiläuft?«
»Frau Schöneberg, ich denke, Sie gehören zu den Menschen, die
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