Champagnerwillich: Roman
Unwillkürlich steigen meschante Gedanken in mir auf.
»So, da bin ich. Hallo Mark, hallo Süße. Ich hoffe, ich bin nicht zu spät?«
»Was? Nein! Nathan, du kommst genau richtig.« Ich löse mich aus Marks Umarmung. Unsere Blicke treffen sich. Seine Augen flehen mich an, und seine Lippen formen die Worte »Du gehörst zu mir!« .
Meine Finger kribbeln, und meine Wangen glühen. Verdammt, was passiert hier nur? Mein Gott, ist das heiß hier drin. Nathan zwinkert mir zu und drückt mir einen Kuss auf die Stirn, während ich für eine Substituierung der Herzen plädiere.
Wie war das noch? Flucht ist die beste Verteidigung, oder Angriff ist die beste Flucht? Wie auch immer.
Ich flüchte.
»Lass uns reingehen. Dann stelle ich dir meinen Bruder vor.« Ich ergreife Nathans Hand und schlängele mich mit ihm durch die vielen potenziellen Patienten von morgen bis in die Praxisküche.
Tanguy lehnt am Kühlschrank und brüllt mit den Händen wild gestikulierend irgendwelche konfusen Dinge vor sich hin. Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Ich finde diese komischen Headsets für Mobiltelefone einfach nur albern. Ich weiß schon, das ist etwas für Menschen, die beide Hände voll zu tun haben. Aber es gibt Dinge, da gilt einfach function follows form .
»Ja, Honolulu … ich weiß … es ist mir aber egal … dann soll er sein Cocktailschirmchen wieder abgeben und gegen seinen Laptop tauschen … NEIN … wie lange arbeiten Sie schon für … das ist doch einfach nicht zu glauben …«
»Hi, Tanguy.«
»NICHT JETZT!«
»Ich wollte dir nur meinen Freund vorstellen.«
»Jil, halt bitte die Klappe! Du siehst doch … ich bin … äh was! … nein, per Fax … bis um sechs Uhr? … Leute, wir machen hier Krisen-PR und nicht Kindergarten-PR … dasist doch … das kommt nicht infrage! … Moment mal, hast du gerade Freund gesagt?«
»Ja, das ist Nathan. Er ist Jurist.«
»Ich glaub’s nicht. Meine kleine Schwester hat einen Freund.« Tanguy nimmt sein Headset aus dem Ohr und betrachtet Nathan wie Frauen eine Parklücke: ungläubig und ablehnend.
Was für ein dämlicher Tentakulit!
Einige Gläser Champagner später widmet sich Nathan seiner Arbeit, Mark seinem ersten Patienten und Tanguy der Suche nach seinem Handy-Ladegerät, während ich mich meinen eigenen Prinzipien trotzend ins Münchner Hofbräuhaus begebe!
Als ich unter wehenden bayerischen Fahnen einen ersten vorsichtigen Schritt zwischen schunkelnde Japaner, klirrende Bierkrüge, furchtbar volkstümliche Musik und dampfende Schweinehaxen wage, fällt mir wieder ein, warum ich in diesem Leben noch nie freiwillig hier war. Während ich mich an den langen Biertischen und Bänken vorbeischlängele, bis ich den Ausschank erreiche, laufe ich vier Touristengruppen ins Bild, entfliehe einer aufdringlichen Lederhose und frage mich, was aufgeschmalzte Brotsuppe eigentlich ist. Endlich sehe ich Luisa, wie sie sechs Maß Bier mit einem grimmigen Lächeln an begeisterte Touristen verteilt.
»Das Dirndl steht dir aber ausgezeichnet!«
»Jil, keine Witze deswegen!«
»Wie geht es dir?«
»Schlecht wäre eindeutig übertrieben!«
»Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?«
»Ja. Sag mir eine Krankheit, und ich bekomme umgehend die Symptome.«
»Wieso lässt du mich die Miete nicht erst mal alleine zahlen. Du kannst es mir doch zurückgeben.«
»Du weißt, dass ich darüber nicht diskutiere. Wie war die Praxiseröffnung?«
»Ganz gut. Sag mal, Luisa. Wenn man sich zwischen zwei Sachen nicht entscheiden kann, wie bekommt man dann heraus, welche von beiden man wirklich will?«
»Wenn man sich nicht entscheiden kann, möchte man beide nicht wirklich.«
»Gibt es da noch eine andere Erklärung?«
»Nee. Das gilt eigentlich in fast allen Fällen. Es sei denn, bei der Sache handelt es sich um Männer. Aber weißt du, Puppe, sich über die Liebe den Kopf zu zerbrechen ist die häufigste und unrentabelste Zeitverschwendung der Welt.«
Gelernte Wörter: meschant = ungezogen;
Substituierung = Austausch;
Tentakulit = fossile Flügelschnecke.
14
WARUM EIN JIMMY-CHOO-PUMPS BESSER IST ALS JEDER PR-GAG
H err Schnüttge.«
»Frau Schöneberg.«
»Glauben Sie eigentlich, dass ich stabil genug für ein Doppelleben wäre?«
»Nein!«
»Verstehe.«
Montagmorgen. Worin liegt eigentlich der Sinn von Montagmorgen? Es kann unmöglich mal so angedacht worden sein, dass der Sinn von Montagmorgen darin liegt, dass man durch den Übereifer
Weitere Kostenlose Bücher