Champion Jack Barron
Ausgenippt? Mit welchem Kopf spielst du gerade, deinem oder meinem?“
„Tut mir leid“, sagte sie. „Mir tut alles so leid. Leg auf, wenn du möchtest. Wer sollte dir einen Vorwurf machen? Ich … ich möchte dich sehen, Jack, ich will mit dir reden. Ich …“
„Du hast ein Fernsehgerät, schalt’s Mittwochnacht ein, dann kannst du mich sehen. Ruf an, mach deine Sache gut, dann wird Vince dich auf Sendung geben. Was soll das alles? Sechs Jahre sind vergangen, Sara, sechs verdammte Jahre, und nun kommst du daher, sagst ‚Hallo, Jack’ und erwartest, daß ich angerannt komme? Wo hast du deinen Verstand gelassen, Sara?“
„Bitte“, sagte sie mit der eisernen Verteidigung einer Schwache-Frau-Hilflosigkeit. „Meinst du, das wäre einfach für mich? Ich …“ (Eine Leere, eine Panik schien wie eine Wolke über den Himmel ihrer Augen zu ziehen, sie zögerte, dann begann sie, schneller und schneller zu sprechen.) „Ich habe deine letzte Show gesehen, nur zufällig, das gebe ich zu, aber da habe ich etwas gesehen, was ich schon lange für tot hielt. Ich sah Blitze, nur Blitze in dieser ganzen Scheiße, aber diese Blitze gingen von dir aus. Ich meine vom echten Jack Barron, nur ein kurzes Flackern, aber es war da, es stammte von dir, und bei jedem solchen Blitz fühlte ich mich wie von einem Messer durchbohrt. Und Gott helfe mir, ich konnte nicht anders, ich liebte dich dort in deinem Fernsehgerät, ganz allein, hin und her gerissen zwischen dem wahren und dem abgewichsten Jack, ohne zu wissen, welcher nun real war – der Jack, den ich liebe, oder der Jack, den ich hasse und ich liebte dich, und ich haßte dich, aber ich wußte, ich habe immer noch etwas von dir in mir, ich kann mich nicht davon befreien und … und …“
„Du warst stoned, nicht wahr?“ fragte Barron mit absichtlicher zynischer Gemeinheit. „Acid, ja?“
Wieder das Zögern hinter ihren Augen, wie bei einer Maschine mit Münzeinwurf, bevor sie weitersprach: „Ich … ja, es war ein Trip. Vielleicht … vielleicht lag es daran, ich sah deine Show mit neuen Augen, alten Augen, altneuen Augen, ich meine, ein Teil von mir war wieder in Berkeley, ein Teil von mir war dieses letzte Mal bei dir, und ein anderer Teil war bei dir in diesem Fernsehgerät und … Ich muß dich sehen, ich muß wissen, ob es an dem Acid lag oder …“
„Also bin ich jetzt ein gottverdammter Zonk {7} !“ schnappte Barron. „Wie ein Kaleidoskop oder eine von deinen alten Dylan-Platten, was zum Ausnippen. Hast du abgehoben? Haste farbige Lichter gesehen? Ich will nicht zum Teil deiner miesen Trips werden, nicht mal versehentlich. Du drehst mir den Magen um, wenn du mich hier so stoned anrufst. Vergiß es, Baby. Geh zur Staten Island Fähre, angle dir ’nen bulligen Seemann und fick mit dem, denn ich werd deine Acidspielchen nicht mitspielen, nicht mehr. Nie mehr.“
„Ich bin jetzt nicht stoned, Jack“, sagte sie leise. „Ich bin klar, vielleicht so klar wie noch nie in meinem Leben. Wir alle verändern uns. Ich sah deine Veränderung, und ich wurde nicht damit fertig. Und jetzt habe ich selbst eine Veränderung durchgemacht, eine große. So was passiert manchmal, sechs Jahre gehen so an einem vorüber, ohne eigentlich den Kopf zu berühren, und dann passiert etwas, etwas und Acid, vielleicht etwas Unbedeutendes und Dummes, und löst die große Erleuchtung aus, und plötzlich hauen diese sechs Jahre voll durch und man fühlt sie, fühlt auch die Jahre davor und alle möglichen Zukünfte, alles in einem einzigen Augenblick, und in diesem Augenblick passiert nichts, was ein anderer sehen könnte, aber man ist einfach nicht mehr derselbe. Da ist eine Kluft, eine Diskontinuität, und man weiß, man kann nicht mehr zurück und wieder das sein, was man vorher war, aber man weiß immer noch nicht, was man jetzt ist.
Und das kannst nur du mir sagen, Jack. Ich habe keine Gegenwart, und du bist meine Vergangenheit und vielleicht – wenn ich nicht endgültig ausnippe –, wenn du mich immer noch willst, meine Zukunft. Ich sehe jetzt eine andere Seite von dir. Ich verstehe, daß du Dinge siehst, die mir verborgen bleiben, und ich bin nicht mehr so sicher, ob sie alle schlecht sind. Hilf mir, Jack. Wenn du mich je geliebt hast – bitte hilf mir jetzt.“
„Sara …“ Sara, du verrücktes Weibsbild, tu mir das nicht an, mach mich nicht an, streck mich aus wie eine Pianosaite, spiel keine Arpeggien auf meinem Schädel, Pingpong mit meinen Eiern, dachte Barron,
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