Champion Jack Barron
geblasen bekam, erinnerte er sich, fühlte es sich an wie die feuchte, niederträchtige Häßlichkeit selbst. Häßlichkeit, sagte er dann zu sich selbst, ist etwas, das man fühlt – Wahrheit ist häßlich, wenn man sie als Waffe einsetzt, aber die Lüge ist wunderbar als Akt der Liebe, häßlich als einseitiger Fick, aber wunderbar als einfaches, ehrliches, aufrichtiges Vögeln, häßlich, wenn das Mädchen sich was von dir verspricht, was eigentlich gar nicht da ist, drum kommst du dir manchmal vor wie’n verrottetes Stück Scheiße, Mann. Vonner Frau wie Sara geblasen zu werden ist das reinste Vergnügen; aber gelutscht zu werden als Image-Statue einer lebenden Lüge (Laß mich dich lutschen, komm, laß mich dich lutschen!) ist ein dreckiger Akt von Plastikkannibalismus, ihr Dreck, nicht meiner.
Die ganze Welt ist voller Plastikkannibalen, die sich an meinem Image sattfressen, die einen Jack-Barron-Geist fressen, der überhaupt nicht da ist. Und jetzt sind Morris und mein sogenannter Freund Luke scharf darauf, meinen vierfarbigen Körper in mundgerechte Fernsehportionen abzupacken, die sie an hundert Millionen Zuschauer/Wähler für dreißig Machtsilberlinge verkaufen würden.
Wenn jemand meinen Körper verkauft, dachte er, bin ich das, und zwar an Howards für das ewige Leben des Fleisches, und nicht an Luke oder Morris für einen Grabeskandidaten auf verlorenem Posten in irgendeinem Geschichtsbuch, das sowieso keiner je lesen wird. Aber irgendwas geht hier sonst noch vor, und Sie wissen noch nicht, was es ist, nicht wahr, Mr. Jones? Howards-Morris-Luke, Gänseblumenkette von Mächtigen-Hehlern-Machern, jeder an des anderen Kehle und alle mit den Augen auf Jack Barron im Hintergrund als Ersatzset falscher Fänge. Zuviel Action in einem zu kleinen Kreis, als daß man alles als reinen Zufall abtun könnte, etwas liegt in der Luft, großer Brocken Scheiße, der ins Nationale Getriebe geworfen werden soll, und keiner da, der Jack Barron ’n guten Tip geben kann.
Nun, Mittwochnacht werden wir’s ja sehen, Bennie Howards, sehen, wie kühl du im Fragestuhl von Champion Jack Barron bleiben kannst, denn schließlich, Mann, pokerst du ja jetzt mit dem gottverdammten Präsidentschaftskandidaten, du mußt schon alle Trümpfe auf den Tisch legen, um in dem verdammten Spiel zu bleiben, Bennie-Baby. Yeah, du bist im Spottdrosselstuhl, Mann, wie der Bischof im Luxuspuff, du bist …
Das Klingeln des Vidphons unterbrach seinen Gedankengang, seine germanische Selbstanklage, und welche Erlösung, dachte Jack Barron, als der vertraute Stimulus den ironischen Jack, den Vidphonjack Barron zu zynischer Antwort anstachelte. Wetten, daß es Teddy der Anwärter höchstpersönlich ist, dachte er trocken, denn jeder andere Machthai im Umfeld hat heute schon versucht, sich an Jack Barron ranzumachen.
Aber das honigblonde, dunkle, braunäugige (das geistige Auge belebte das Schwarzweißvidphonbild mit lebensechten Farben) Gesicht auf dem Schirm hauchte seinen kühlen Kopf bis zur dunklen Seite des Mondes, als er die Verbindung hergestellt hatte, und er konnte nur noch stammeln: „Sara …“
„Hallo, Jack“, sagte Sara Westerfeld.
Barron spürte einen Augenblick der Sich-seiner-eigenen-Nacktheit-bewußt-werden-Benommenheit, spürte dasselbe hilflose Vakuum hinter Saras furchtsamen/zuversichtlichen Augen, suchte nach einem Hinweis für ein bestimmtes Reaktionsmuster auf der blanken Anzeigentafel seines Geistes, während er seine eigene Stimme hinter einem Panzer der Ironie sagen hörte: „Sadismus oder Masochismus, was geht in deinem acidgesättigten Hirn vor sich?“
„Es war eine lange Zeit“, begann Sara, und Barron, der verzweifelt nach einem protokollarischen Reaktionsmuster suchte, mit dem er dem Geist von Tausenden von Körper-an-Körper schmerzenden Erinnerungen begegnen konnte, stürzte sich wieder auf den Zynismus wie ein verhungernder Wilder auf ein Stück verschimmeltes Brot.
„Tatsächlich?“ konterte er. „Ich dachte, du wärst vor sechs Jahren nur mal eben weggegangen, um ein wenig Pot zu kaufen. Bist du in einem Stau steckengeblieben, Sara?“
„Müssen wir das tun, Jack?“ fragte sie hilflos mit flehenden Augen. „Müssen wir uns gegenseitig zerfleischen?“
„Wir müssen gar nichts“, sagte er mit aufsteigender Bitterkeit. „Du hast mich angerufen, nicht ich dich. Ich hätte dich niemals angerufen, also was, zum Teufel, sollte ich zu dir sagen? Was kannst du mir sagen? Bist du stoned?
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