Champion Jack Barron
Blut aus Zentren der Macht:
„CHAMPION JACK BARRON.“
„CHAMPION JACK BARRON“ – rote Buchstaben (zweckdienliche Nachbildung der traditionellen Sprüche „Amis raus!“ an Wänden in Mexiko, Kuba, Kairo, Bangkok, Paris) vor einem blauen Hintergrund.
Rauchige Barkeeperstimme von außerhalb der Kamera ruft: „Probleme?“
Und dann als Antwort eine Tonkollage, während die Kamera den Titel festhält: Protestierende Studenten, Agitatoren des Amerikanischen Volkes, Amen eines Babtistenpriesters zu Hardrockklängen, weinende Mütter, Soldaten knüppeln Aufrührer vor einem Zwei-Dollar-Fenster nieder. Barkeeperstimme in zynischem, hoffnungsvollem Tonfall: „Dann kommen Sie zu Champion Jack Barron!“
Titel verwandelt sich in Kopf und Schultern eines Mannes vor einem unkomfortablen dunklen Hintergrund (halbsublimierte wirbelnde moirierte Muster, Blitze scheinen gerade am Rand der Wahrnehmung zu zucken wie schwarze Chinatusche, unterschwelliger Effekt). Der Mann trägt eine blaßgelbe kragenlose Sportjacke über einem knopflosen Hemd aus weichem, rotem Velour. Er sieht aus wie vierzig? dreißig? fünfundzwanzig? – egal, jedenfalls über einundzwanzig. Seine Gesichtsfarbe scheint irgendwo zwischen blaß und grau zu liegen, wie die eines zurückgezogenen, romantischen Poeten. Sein Gesicht gleicht einer Komposition seltsam hartkantiger Weichheit, Wandteppich eines stagnierenden Kampfes. Sein Haar erinnert an einen Toten: sandfarbener JFK-Schnitt, gerade im Begriff, in den Nacken zu wuchern, flankiert die Ohren und wuchert lockig, dylanähnlich nach oben hin aus, zerzaust wie ein ungemachtes Bett. Seine Augen (wissende Augen) funkeln amüsiert, während seine vollen Lippen lächeln, er schafft es, aus dem Lächeln tatsächlich eine fast private Angelegenheit zu machen, dieses Ich-kenne-euch-ich-kenne-euch-ich-kenne-euch-gut-Ding vor einem Publikum, das sich nach neuesten Schätzungen auf hundert Millionen Menschen beläuft.
Jack Barron lächelt, nickt, wird zum Werbespot von Acapulco Gold:
Mexikanischer Patron führt Esel windenden Bergpfad zu dschungelbedecktem vulkanischen Berg hoch, eine fruchtig-autoritäre Encyclopedia-Britannica-Stimme kommentiert: „In den Hochlanden Mexikos wächst eine besonders ausgereifte Sorte Marihuana, die seit den Tagen des organisierten Handels als Acapulco Gold bekannt ist.“
Schnitt zu demselben Patron, der eine Marihuanastaude mit einer Sichel abschneidet und zum Esel trägt: „Gepriesen wird der ausgewogene Geschmack und die Ergiebigkeit. Acapulco Gold war zu Anfang nur einigen wenigen Bevorzugten zugänglich, da sehr selten …“
Kamera gleitet zu Grenzstreife, die unrasierten Mexikaner, Typ Pancho Villa, festhält: „… die Beschaffung zudem nur mit Schwierigkeiten möglich.“
Luftbild eines riesigen Feldes mit Marihuanapflanzen in geometrischer Anordnung: „Doch inzwischen bringen die feinsten mexikanischen Pflanzen in Verbindung mit der landwirtschaftlichen Fingerfertigkeit der USA und den sorgfältig kontrollierten Wachstumsbedingungen eine reine Marihuanasorte hervor, die der ursprünglichen an Aroma und vollem Geschmack in nichts nachsteht. Entspannungswirkung garantiert. Sie erhalten Acapulco Gold inzwischen in siebenunddreißig Staaten: (Schnitt zu rotgoldener Acapulco Gold Packung in Großaufnahme) Acapulco Gold, Amerikas führende Marihuanazigarette von erlesenster Qualität – und selbstverständlich ausgezeichnet verträglich.“
Jack Barron erscheint wieder auf dem Schirm, sitzt an einem alten, volksschulähnlichen Schreibtisch, auf dem zwei standardweiße Bell-Vidphone stehen; weiße Vidphone und weiße Stühle vor dunklem, moiriertem Hintergrund lassen Barron wie Ritter vor Hintergrund tanzender Schattenwesen erscheinen.
„Was plagt uns denn heute?“ fragt Barron mit einer Stimme, die alles kennt – Harlem kennt, Alabama, Berkeley, Northside, Strip City, kennt alles kennt sauber bemalte Betonwände von tausend Projekten des Goldenen Zeitalters Urin in Gefängniszellen kennt zweimal monatlich Scheck gerade ausreichend um nicht zu sterben (Sozialversicherung, Fürsorge, Arbeitslosenhilfe, garantierte Jahresrente glatten cyanid-blaß-blauen Regierungsscheck), kennt alles und weiß was zum Teufel, aber kann nicht aufhören sich darum zu kümmern, der Außenseiterinsider.
„Was Sie plagt, plagt Jack Barron.“ Barron pausiert, lächelt Basiliskenlächeln, dunkle Augen scheinen bewegliche Schatten von Hintergrund zu saugen,
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