Chancen, Risiken, Folgen 2
Scotch.
Mein Freund schweigt und leert die Flasche. Ach, sind wir wieder am Schmollen? Ich beobachte seine Bewegungen, die, von der Müdigkeit herrührend, leicht unsicher wirken. Joshua rülpst und schiebt sich vom Barhocker.
„Weißt du was, Winston Schiller? Ich würde dich nicht mal heiraten, wenn du die letzte Frau auf dem Planeten wärst“, erklärt er hoheitsvoll und geht leicht torkelnd weg.
Am nächsten Morgen ist alles vergeben und vergessen, jedenfalls von Joshuas Seite. Typisch. Ich weiß noch sehr genau, wie verletzend seine Worte gestern waren. Nicht, dass ich von ihm geehelicht werden möchte, aber es war schon fies – irgendwie herabsetzend. Bin ich so hässlich?
Während des Frühstücks lenke ich allerdings das Gespräch nicht auf diese Angelegenheit, denn es ist mir auch ein wenig peinlich. Wie sieht mein Freund mich? Bin ich für ihn nur die hässliche Bohnenstange, die seit rund einem Jahr keinen Sex mehr gehabt hat? Heute Morgen habe ich versucht, mich objektiv zu beurteilen – was für eine dämliche Idee! Klar sehe ich mich negativ.
„Du bist so still“, nuschelt Joshua mit vollem Mund.
„Ich denke nach“, gebe ich indigniert von mir.
„Ach so.“ Mein Freund schnappt sich ein weiteres Brötchen und schneidet es sorgfältig auf. Genau in der Mitte. Ich schaffe das nie und meist ist bei mir die untere Hälfte flach wie ein Brett und die obere ein Berg aus lockerem Teig. Fasziniert beobachte ich ihn bei der Arbeit und knülle dabei selbstvergessen eine Serviette zusammen.
„Nett hier, oder?“, murmelt Joshua und greift nach der Marmelade.
„Mhm“, mache ich und dann platzt es aus mir raus: „Du findest mich hässlich?“
Mein Freund erstarrt, das Brötchen halb auf dem Weg zum Munde. Eine Sekunde, dann zwei, bis er das Teil fallen lässt. Es platscht mir der Oberseite zuerst auf seinen Schoß.
„Bitte – WAS?“ Mit aufgerissenen Augen glotzt Joshua mich an.
„Du hast gestern gesagt…“, beginne ich, doch er winkt ab.
„Ich weiß, was ich gestern gesagt habe. Ich war müde, frustriert und betrunken. Entschuldige.“ Joshua blinzelt und senkt dann den Blick auf seinen Schoß.
Ich kann mir vorstellen, was er dort sieht, und werfe ihm schnell eine Serviette zu. Er legt die Brötchenhälfte auf den Teller und reibt eine Weile an sich herum, bis er zufrieden scheint.
„Scheiß Marmelade“, murmelt er, zerknüllt die Serviette und hebt dann den Blick. „Du bist nicht hässlich, du bist einfach – ein Mann.“
„Klar bin ich das“, brummele ich genervt und greife nach der Kaffeekanne.
„Was also – bitteschön – willst du von mir?“, fragt Joshua leicht genervt.
Ich schenke mir in Ruhe Kaffee ein, probiere einen Schluck und zucke dann mit den Achseln.
„Nichts.“
Mein Freund seufzt und beschmiert das Brötchen neu, bevor er es sich genüsslich einverleibt. Joshua kann quasseln ohne Ende, doch wenn man mal eine einfache Auskunft will, schweigt er stoisch. Zugleich kann er das ‚Schwamm drüber‘ auch perfekt, wenn er denn nicht gerade getrunken hat. Dann – allerdings – bekommt man Sachen serviert, die Jahre zurückliegen. Irgendwie ist er schon merkwürdig.
Nach dem Frühstück checken wir aus und fahren zum Hafen. Mein Bauch kribbelt vor Vorfreude auf das Schiff. Normalerweise segle ich nur mit einer Jolle auf der Hamburger Außenalster, also wird dies ein richtiges Abenteuer für mich. Endlich echtes Meer und unendliche Weiten unter strahlender Sonne.
„Lichtschutzfaktor fünfzig“, sagt Joshua.
„Hm?“ Ich drehe ihm den Kopf zu, als das Taxi auch schon am Anleger hält.
„Ich habe Sonnenschutz Faktor fünfzig dabei, damit wir nicht verbrennen“, erklärt mein Freund, während wir aussteigen.
„Oh, daran hab ich ja gar nicht gedacht.“
Ich helfe dem Chauffeur, unser Gepäck aus dem Kofferraum zu heben, und drücke ihm anschließend den Fahrpreis in die Hand. Joshua ist wirklich ein guter Planer und ohne ihn wäre ich aufgeschmissen. Nicht nur, dass er der bessere Navigator und Segler ist als ich, er denkt einfach an alles.
Nachdem wir unsere Sachen verstaut und das Schiff klar gemacht haben, legen wir ab und tuckern in Richtung der Hafenausfahrt. Das Kitzeln in meinem Bauch wird immer stärker und ich muss fortwährend grinsen, weil ich so aufgeregt bin. Joshua dagegen scheint gelassen wie immer und lenkt uns sicher aufs freie Meer hinaus.
„Ich könnte schreien vor Freude“, sage ich, als vor uns nur noch die
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