Change
mir egal. So konnte ich mich wenigstens von meiner Angst, zur Schule zu gehen, ablenken.
Die Schule lag in einem anderen Viertel der Stadt und ich musste jetzt länger mit dem Bus fahren, um dorthin zu gelangen. Das machte mir aber nichts aus. Ich hatte in meinen Schulwechsel große Hoffnung gesetzt. Die Hoffnung, dass ich dort ein unbeschriebenes Blatt sein, das man ignorieren und tolerieren würde. Die Hoffnung, dass ich dort nicht wieder in die Rolle des ausgegrenzten Einzelgängers gedrängt werden würde. Die Hoffnung, dort nicht von allen gedisst zu werden. Jetzt war mir auch bewusst, was ich an der anderen Schule falsch gemacht hatte: Ich hatte mich abgekapselt, von selbst zurückgezogen. Diesen Fehler durfte ich diesmal nicht machen. Nein, diesmal würde ich mich anstrengen müssen und meine Sozialphobie überwinden, um mich in meine neue Schule zu integrieren und Freunde zu finden. So ungern ich das auch tat, hatte ich doch Angst vor den anderen. Angst, dass sie mich wieder zum Opfer machen und mein in sie gesetztes Vertrauen grausam missbrauchen würden um mir zu schaden. Angst, dass sie mich ablehnen würden, weil ich anders war als sie.
Denn das war ich - anders. Neben all den Spießern, Sportlern, modebewussten Jugendlichen und Normalos fiel ich auf. Schlaksig, fast schon dürr, mit den blonden Haaren und der breitrahmigen Brille, neuerdings Tattoos an den Handgelenken, ein Piercing - all das hob mich von den anderen ab. Vielleicht hätte ich mein Äußeres nicht so auffällig verändern sollen, doch ich hatte es so gewollt und getan. Jetzt ließ es sich sowieso nicht mehr ändern, was gut so war. Diese Veränderung bereute ich nämlich nicht im Geringsten.
Ich war nicht der einzige Neue an der Schule, was mich bei einer Schule dieser Größe auch gewundert hätte. Selbst in meiner Kursstufe gab es noch zwei weitere Neuzugänge, ein Junge und ein Mädchen. Meine Theorie, dass Neuzugänge die perfekten Opfer für Ausgrenzungen waren, bewahrheitete sich jedoch bei keinen von den beiden.
Zumindest bei dem Mädchen - ihren Namen merkte ich mir noch nicht einmal - wusste ich um den Grund. Sie war verdammt hübsch, sodass einige Jungs sogleich um sie zu werben begannen. Die anderen Mädchen aus der Klasse nahmen sie sofort in ihre Clique auf. Zum einen damit die Neue nicht alleine die Aufmerksamkeit der Jungs genoss und zum anderen hatten die restlichen Mädchen somit auch die Gelegenheit dem einen oder anderen Jungen aufzufallen.
Der Junge war da komplett anders. Zurückhaltend und ruhig auf der einen Seite, hörte ich auch geflüsterte Gerüchte darüber, dass er sich gleich am zweiten Tag mit einer Clique angelegt hatte, die ihr brutales Gangsterimage damit pflegten, in den Pausen andere Schüler anzupöbeln und improvisierte Raps zum Besten zu geben. Das ganze lief auf eine Art Rap-Battle hinaus, das die ganze Schule zu interessieren schien. Auch ich fand diese Art der Entwicklung ganz amüsant und erfreute mich daran, dass es so schien, als wäre dieser Mike jetzt das nächste Mobbing-Opfer der Schule und nicht ich.
Doch zu meinem Leidwesen war dieser Mike, der eigentlich Michael Ishida hieß, zumindest hatte ihn einer der Lehrer immer so genannt, bis Mike ihn berichtigt hatte, ein ziemlich guter Rapper und entschied dieses für die Zuschauer - in diesem Falle fast die gesamte Schülerschaft- lustige Battle ganz klar für sich. Und das, obwohl er zugab, nicht allzu oft zu rappen und sich dafür auch nicht zu interessieren. Doch somit erntete er nicht nur den Respekt der harten Kerle aus besagter Clique, sondern auch die Sympathie derjenigen, die des Öfteren von dieser Gruppe drangsaliert wurden. Mike hatte es geschafft, mit seiner künstlerischen Gabe in dieser Schule akzeptiert zu werden und dass innerhalb kürzester Zeit. Ich hatte nicht so viel Glück, denn das Getuschel über meine Person ließ nicht lange danach auf sich warten. Irgendwie waren Gerüchte über meine Drogenabhängigkeit durchgesickert und diese wurden nun ausgeschlachtet und ich ausgegrenzt. Wunderbar - genau das was ich wollte.
Schon nach kürzester Zeit weitete sich das Tuscheln und Flüstern zu Gerede aus, zu versteckten und offenen Beleidigungen und Anspielungen. Ab diesem Zeitpunkt gehörten Beschimpfungen, die denen meiner Mitschüler aus der alten Schule in nichts nachstanden, und Herumgeschubse auf den Gängen zu meinem Alltag, genauso wie bohrende Blicke. Ich hätte heulen können vor Verzweiflung.
Ich versuchte,
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