Change
stark zu sein und mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich ihr Verhalten traf, wie sehr ich schon gebrochen war. Schließlich hatte ich das alles schon in schlimmerem Ausmaße erleben dürfen.
Und ich begann, diesen Mike zu hassen. Ich beneidete ihn um seine Beliebtheit, beneidete ihn um den Respekt, den man ihm entgegenbrachte. Ich war von Missgunst und Hass zerfressen, sodass ich Mike die alleinige Schuld an meiner Misere gab. Er war in meinem von Eifersucht geprägten subjektiven Weltbild derjenige, der eigentlich zum Außenseiter hätte werden müssen, es aber durch irgendwelche Tricks geschafft hatte, mich in diese Rolle zu drängen. Wieder einmal.
Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein? Warum musste er mein Leben zerstören? Ich hätte es diesmal schaffen können, mich in diese Schule zu integrieren, doch er hatte mir dies versagt. Ich hasste ihn dafür, ohne nachzudenken, ohne weiteren Grund, ohne überhaupt etwas über ihn zu wissen.
Wann immer ich ihn sah, wandte ich mich ab, damit er meine kaum versteckte Antipathie nicht bemerkte. Dennoch beobachtete ich ihn aus dem Augenwinkel. Musterte ihn viele Male, ohne auch nur etwas von ihm wahrzunehmen. Meine Verblendung, ein unbegründeter Hass verschloss meine Augen.
Deshalb konnte ich auch nicht richtig damit umgehen, als er eines Tages mir hinterherlief und mir sogar bis zu meinem Pausenrückzugsort hinter den Spinden folgte. Ich bemerkte seine Gegenwart erst, als er nur noch wenige Schritte entfernt stand und mich aufmerksam studierte. Sein Blick wanderte an mir entlang, nahm meine Tattoos genauer ins Auge, betrachtete mein Gesicht. Ich fühlte mich unwohl unter seinen aufmerksamen, dunklen Augen, richtete meinen Blick auf den Fußboden, auf meine ausgefransten Schuhe.
Ein weiterer Schritt brachte ihn nun genau vor mich und sein Schatten traf auf meine Gestalt. Ruckartig hob ich den Kopf und blickte zu ihm. Er war zu nah, seine Gegenwart machte mir Angst, ich fühlte mich in eine Ecke gedrängt, kein Fluchtweg war in meiner Reichweite. Ich wappnete mich, fuhr meine Schutzschilde und Wälle hoch, schloss alle Türen zu und harrte in meiner eiskalten Festung aus Distanziertheit und Ablehnung aus. Mike schien zurückzuweichen, all mein stahlharten Blick ihn traf. Doch er bezwang sich wieder, atmete ein und bemühte sich um ein Lächeln, das ihm sogar gelang.
„Hi, ich bin Mike. Bin neu hier an der Schule.“, presste er schnell heraus, lächelte weiter unsicher. Sein Blick wurde sanft, strich an mir herab, wanderte dann wieder zu meinen Augen, ich bemerkte eine noch nie gesehene Emotion in ihnen. Seltsamerweise machte ihn das sympathischer. Doch ich unterdrückte jegliche positiven Gefühle, rief mir wieder ins Gedächtnis, das er ja derjenige war, der meine Chancen auf ein normales Leben an dieser Schule zunichte gemacht hatte.
„Und?“, meinte ich spitz, fühlte die unterdrückte Wut und Eiseskälte, die in meiner Stimme mitklang und mich selbst frösteln ließen.
„Na ja, da wir ab und zu im selben Kurs sind, dachte ich, machen wir uns miteinander bekannt. Also…“, setzte er zu einer umständlichen Erklärung an, die mir viel zu gekünstelt klang, weshalb ich ihn barsch unterbrach.
„Was willst du? Erzähl mir nicht so’n Mist. Von wegen, miteinander bekannt machen. Erzähl deine Märchen einem anderen.“
Mein Gesichtsausdruck musste Bände sprechen, so arrogant wie ich gerade erschien. Mike ließ sich davon einschüchtern, ich spürte seine Unsicherheit immer stärker, sah, wie er kurz tief einatmete, um sich zu sammeln. Sich mit mir zu unterhalten gestaltete sich wohl doch schwieriger als er geschätzt hatte, da ich ihn ständig abblockte. Und ich dachte mir nichts dabei, wollte ihn nur so schnell wie möglich so stark verletzen, damit er bald das Weite suchen möge. Ich verunsicherte ihn, das war mir klar, doch alles was ich wollte, war, dass er sich umdrehte und endlich verschwand.
Doch er tat mir den Gefallen noch nicht. Stattdessen fragte er mich mit aufrichtigem Blick:
„Eigentlich wollte ich dich fragen, warum du von den anderen ausgegrenzt und beleidigt wirst.“
Was sollte diese Frage bedeuten? Ich war geneigt, sofort zu fliehen, doch ich riss mich zusammen und versteckte meine Angst hinter Hohn. Zeigte ihm eine eindeutige Geste. Dazu fügte ich noch ein „Hau ab, Ishida. Ich brauch keinen Seelenklempner, der nach einem ‚Warum’ forscht.“, hinzu. Auch wenn ich vielleicht doch einen gebraucht hätte oder zumindest
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