Change
gesorgt, das Aiden keine richtigen Freunde hatte und sich allein durch sein Leben schlagen musste. Er musste ihn ja zum Aufgeben bewegen – oder dazu, den Herrn zu verfluchen und sich von ihm abzuwenden - nur so konnte er seine Wette gewinnen.
Also musste ich, da ich versprochen hatte, für Aiden einen Freund zu finden, dies nun in die Tat umsetzen. Damit würde ich vermutlich noch nicht gegen die Abmachungen verstoßen, die mein Herr und Luzifer getroffen hatten, doch sobald ich dem Jungen, den ich ausgewählt hatte, einen versteckten Auftrag geben würde, wäre dies vorbei.
Ich war konzentriert vorgegangen, hatte die bestmöglichste Wahl getroffen. Es war mir völlig einleuchtend gewesen, das dieser Freund Gemeinsamkeiten mit Aiden besitzen musste. Anknüpfungspunkte, die eine Beziehung initiieren würden. Ihm musste das, was Aiden wichtiger war als alles andere auf dieser Welt, ebenfalls am Herzen liegen.
Und das, was für Aiden so unsagbar wichtig war, war die Musik. Er liebte sie. Sie war seine Dauerbeschallung, sein einziger Begleiter. Er hörte sie von früh bis abends und auch nachts. Er liebte es, zu singen und seine Gedanken in selbst geschriebenen Texten zum Ausdruck zu bringen. Er komponierte selber die passende Begleitung dazu auf seiner Gitarre oder am Piano, sofern ihm eines zur Verfügung stand. Nur in der Musik konnte er sich komplett verlieren. Nur sie liebte er.
Und Mike - auch er liebte die Musik. Er spielte leidenschaftlich Piano und Gitarre und sang. Er komponierte und textete passioniert, ließ die verschiedenen Genre ineinander fließen, probierte Neues aus, wollte die Musik revolutionieren. Sein Verständnis von Musik sah diese als hohe Kunst, als Perfektion. Und er war in dieser Hinsicht auch perfektionistisch. Musik musste perfekt sein, im Sinne von komplett, geschlossen, abgerundet. Sie musste Charakter haben, Gefühle, Gedanken und Informationen transportieren. Sie musste einzigartig sein. Einfach vollendet.
Doch hinter seiner Liebe für die Musik fühlte er sich missverstanden, konnte nicht nachvollziehen, warum niemand seine Liebe teilte, die Musik genauso verehrte, genauso ihr Schöpfer war. Gleichermaßen lebte er nur für die Kunst, für die Ästhetik in Bild und Ton. Ästhetik in Musik und in Gemälden. In Grafik. Mike war ein Künstler - nicht nur in Bezug auf Musik, sondern weiter gefasst - der nur dies anstrebte.
Aber neben seiner Hingabe zur Musik war er auch ein besonderer Mensch. Perfektionismus machte seinen Charakter nicht aus, trotz dass er dies anstrebte. Mike war so wie seine geschaffenen Kunstwerke, die er nie annähernd gut genug fand. Doch er besaß Stärken, die ihn ausmachten und beschrieben.
Das wichtigste an seinem Charakter war seine Stärke, seine Standfestigkeit. Für einen Jugendlichen war sie herausragend. Natürlich war auch er an seinem Ruf interessiert, doch dies verbarg er meisterlich, gab nach außen hin nichts auf Kritik an sich, verarbeitete sie innerlich aber um sich zu verbessern, sie aus dem Weg zu schaffen. Keinen neuen Angriffspunkt für Kritik zu erschaffen.
Die Meinung der anderen dagegen prüfte er gewissenhaft, ob sie der Wahrheit entsprach. Tat sie es, nahm er sich ihr an. Tat sie es nicht, prallte sie an ihm ab wie die Wellen der Brandung an einem starken Felsen.
Und er stand zu seinen Freunden. Sie waren ihm unglaublich wichtig, wichtiger als er ihnen. Das konnte ich beurteilen, sah ich doch ihn ihren Gedanken nicht dasselbe wie in seinen. Seine Freunde waren natürlich nicht so, wie Mike sie gerne hätte, er vermisste einiges an ihnen. So zum Beispiel Toleranz gegenüber anderen Menschen.
Er umgab sich mit Menschen die dieses Verständnis nicht besaßen. Und auch seiner Musik waren sie nicht alle aufgeschlossen, was ihn am meisten ärgerte.
Dabei war Mike selbst auch nicht allzu tolerant. Er lehnte vieles vorurteilsgestützt ab. Am deutlichsten wurde dies in Bezug auf seine große Liebe, die Musik. Doch auch gegenüber diskriminierenden Menschen kehrte er seine Intoleranz heraus. Und dann trat seine schwelende Aggressivität zu Tage. Sonst tief in ihm verborgen, willentlich vergraben, wurde die Welt sehr selten von ihr Zeuge.
Doch mit allen seinen Facetten würde Mike genau richtig sein, um den geknickten, gestürzten, am Boden liegenden Aiden aufzurichten. Er würde besser als jeder andere dazu in der Lage sein. Er hatte die richtigen Voraussetzungen.
Deshalb war ich sehr erfreut darüber, Michael Ishida gefunden zu haben.
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