Change
einen Freund. Meine harten Worte schienen ihn getroffen zu haben, denn er drehte sich ohne ein Widerwort um und ging davon. Vielleicht hatte ich es auch etwas übertrieben, dachte ich, als ich ihm aufatmend nachsah. Immerhin war er ja gar nicht gemein gewesen. Oder doch? Vielleicht war diese freundschaftliche Tour nur der Anfang gewesen, vielleicht hatte er vorgehabt, sich mein Vertrauen zu erschleichen um es dann zu enttäuschen und mich zu brechen.
Aber ich kannte ihn nicht. Vielleicht hatte ich doch vorschnell geurteilt. Doch jetzt war es zu spät.
Als es zum Unterricht klingelte, fand ich mich in einem Kurs mit Mike wieder, der mich mit besorgtem Blick musterte. Ich fühlte mich wie unter ständiger Beobachtung, konnte kaum auf mir gestellte Fragen antworten. Verdammt, was sollte das?
Auf Konfrontation gebürstet starrte ich ihn nun meinerseits auch an, was ihn zumindest dazu veranlasste, seinen Kopf wegzudrehen, doch aus dem Augenwinkel beobachtete er mich wohl immer noch. Ich nutzte die Zeit, ihn ebenfalls zu mustern, seine schwarzen Haare, seine leicht asiatischen Züge, seine warmen Augen. Seltsamerweise mochte ich seine Augen, sie besaßen nicht diesen drohenden Blick wie bei manch anderem. Mike war ein seltsamer Mensch. Seine Augen schienen nicht zu ihm zu gehören, so freundlich und warm wie sie immer blickten. Zumindest hatte ich sie noch nicht kalt funkeln sehen.
Was verrieten die Augen über einen Menschen? Ich wusste es nicht, mein traumatisiertes Gehirn schien Menschen überhaupt nicht mehr einschätzen zu können. Ich war Allen voran misstrauisch. Mein Leben hatte mir dies gelehrt.
Doch wenn ich ehrlich war, wollte ich gar nicht so misstrauisch sein. Ich wollte vertrauen. Nur wem?
Irgendwie war das vorhin doch eine Art versteckter Hilferuf gewesen. Vielleicht brauchte ich keinen, der das ‚Warum’ klärte, aber ich brauchte jemanden, der mich unterstützte gegen die anderen, der mir vertraute und dem ich vertrauen konnte. Der ein Freund für mich war. Und Mike … hätte es vielleicht werden können. Doch jetzt würde er bestimmt Angst vor mir haben, oder mich für einen Freak halten. Doch unabhängig von Mikes Meinung über mich, musste ich damit klarkommen, jeden Tag von den anderen verspottet und beleidigt zu werden. Jeden Tag diesen Ärger in der Schule ertragen zu müssen. Ich wollte schon wieder aufgeben.
Doch da war noch das Konzert. Es musste einfach etwas ändern. Und vielleicht würde Mike dann auch kommen und ich würde ihn beeindrucken. Von Musik schien er zumindest etwas zu verstehen.
8. Kapitel
September 1993 - Michael
Hatte ich mich verkalkuliert? Verschätzt? Hatte ich Aidens Misstrauen und seinen Hass auf die Menschen unterschätzt? Und Mikes Chancen überschätzt?
Selbst mir passierten Fehler, weshalb sich jetzt auch in mir wirkliche Zweifel regten. Ich hatte Angst, dass die komplette Geschichte aus dem Ruder laufen würde. Wenn mein Einmischen nicht den gewünschten Erfolg haben würde, dann hätte ich umsonst ein so großes Risiko in Kauf genommen.
Aidens Zweifel waren einfach zu groß, obwohl ich spürte, wie sich in seinem verwundeten Herzen Gefühle wie Sympathie und Vertrauen zu regen begannen. Und Zweifel, Zweifel an seiner momentanen Einstellung zur Welt und den Menschen, aber auch Zweifel an Mike und dessen offensichtlicher Sympathie ihm gegenüber.
Bislang löste Aiden dieses Problem damit, dass er sämtliche Gefühle verdrängte und abblockte.
Andererseits schien mein Vorhaben, in Bezug auf Mike, wirklich aus dem Ruder zu laufen. Der rebellische Junge kümmerte sich immer weniger um die Meinungen der anderen über ‚diesen Drogenjunkie‘, wie sie Aiden nannten, und ergriff öfter Partei für diesen. In Gedanken ertappte er sich bereits dabei, wie er über Aiden nachdachte und dessen Verhalten zu erklären versuchte. Mikes Gedanken nahmen eine überraschende Wende, während er ihn beobachtete. Ich vermochte es kaum nachvollziehen, obwohl ich bereits lange genug unter den Menschen gewandelt war, um diese Gefühle zu erkennen. Mike fand Aiden tatsächlich schön … und begehrenswert, auch wenn er sich das noch nicht einzugestehen traute.
Er war nicht mehr in der Lage, Aiden einfach zu ignorieren, und das, obwohl sich Furcht in Mikes Herz geschlichen hatte. Er spürte, wie gebrochen Aiden war und wie dieser kurz vor dem totalen Ende stand. Doch das war nicht das einzige was Mike wahrgenommen hatte.
Denn als Aiden eines Tages ohne Brille in
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