Chanur-Zyklus 4 - Die Heimkehr der Chanur
Korridor - war
er
ein Freund und lief er jetzt frei auf dem Schiff herum? Hatte der Kapitän das erlaubt?
»O ihr Götter«, murmelte Chur, zu müde und zu elend, um an frei herumlaufende Kif zu denken oder hartherzig über Tully zu denken, der mehr als einmal, obwohl unbewaffnet, sein Bestes getan hatte, ihrer aller Pelze zu retten. Aber Chur spürte jetzt im Innersten, dass sie die Heimat nicht wiedersehen würde und dass dies ihre letzte Fahrt war. Und sie wollte doch nach Hause, mehr als alles andere, zurück nach Anuurn und Chanur, um für sich selbst das bisschen Zeit zu haben mit Dingen, die sie kannte und liebte, mit vertrauten Dingen, nicht verkompliziert durch Aliens und durch Fremdheit. Sie wollte wieder jung sein und mehr Zeit haben, sich wieder daran erinnern, wie es war, ihr Leben noch vor sich zu haben und nicht hinter sich.
Sie wollte, mochten die Götter ihr helfen, sogar ihr Heim oben in den Bergen wiedersehen, was die reinste Dummheit war: Sie und Geran waren von dort weg und hinunter nach Chanur gegangen, als sie noch jung gewesen waren, so wie Hilfy jetzt. Und sie waren fortgegangen, weil ein junger Dummkopf von einem neuen Lord dort die Macht ergriffen hatte über ihren Zweig des Chanur-Clans; und sie und ihre Schwester hatten ihre Wurzeln herausgezogen und waren zu Chanurs Hauptsitz gezogen, ohne mehr mitzunehmen als die Kleider am Leib.
Und ihren Stolz. Mit intaktem Stolz waren sie gekommen. Sie beide.
»Haben nie zurückgeblickt«, sagte sie in der Annahme, dass es wenigstens Geran verstehen würde. »Verdammt, seltsame Dinge waren schließlich das, was wir suchten, als wir aus den Bergen herabkamen, nicht wahr?«
Geran gab Tully einen verzweifelten Wink, der besagte, er solle still hinausgehen, und Tully ging, nicht ohne vorher Churs Bein unter der Decke zu tätscheln.
Chur lag da und blinzelte, fühlte sich verlegen. Sie sah aus wie jemand, der schon tot war. Das wusste sie. Sie und Geran hatten sich einmal sehr ähnlich gesehen, mit rotblonden Mähnen und Bärten, von geschmeidiger und schlanker Gestalt, die das Bergfrauen-Erbe in ihrer Sippe war, unähnlich ihren Kusinen Haral und Tirun Araun oder auch ihrer Kusine Pyanfar, die die Größe und Kraft der Chanur aus dem Tiefland besaßen, aber nie diese Hochlandschönheit und Leichtfüßigkeit. Jetzt hingen Gerans Schultern vor Erschöpfung herab; ihr Fell war stumpf, und der Ausdruck ihrer Augen unaussprechlich müde. Chur hatte selbst schon in den Spiegel gesehen. Die Knochen taten ihr weh, wenn sie auf ihnen lag. Die Laken wurden täglich gewechselt, dafür sorgte Geran, denn Chur verlor ständig mehr Fell, bis an manchen Stellen die Haut zum Vorschein kam, ganz mattrosa und schrecklich durch das Fell schimmernd. Das war, worunter sie persönlich am meisten litt, nicht der Schmerz, nicht die Angst vor dem Sterben; es war vielmehr die Eitelkeit, die ihr die Maschine raubte, und ihre Würde, und zu sehen, wie Geran ihrem Verfall zusah, war das schlimmste von allem.
»Tut mir leid«, sagte Chur. »Die verdammte Maschine flößt mir ständig mehr Beruhigungsmittel ein. Ich rede nicht immer sinnvoll.«
Dumme Art zu sterben, überlegte sie, bis zur Besinnungslosigkeit unter Medikamenten stehend. Es macht Geran Angst. Was für eine Art ist das? »Löst du mich von diesem Ding?«
»Du sagtest, du würdest es dulden«, sagte Geran. »Meinetwegen. Du hast dem Käpt‘n gesagt, du würdest es dulden. Müssen wir uns auch noch über dich Sorgen machen?«
»Man darf doch wohl fragen, oder?« Ihre Stimme klang heiser. Der Zwischenfall hatte sie erschöpft. Oder vielleicht lag es nur an dem Beruhigungsmittel. »Lassen wir diesen götterverdammten Kif jetzt frei herumlaufen?«
»Khym behält ihn im Auge.«
»Uhhn.« Früher hätte sich das verrückt angehört. Männer hatten keinen Umgang mit Fremden und übernahmen keine Verantwortung, trugen nicht das Gewicht von Entscheidungen auf ihren Schultern und auf ihren zum Berserkertum neigenden Gehirnen. Aber nichts auf der Welt war mehr so wie zu der Zeit, als sie noch ein Mädchen gewesen war. »Wir sind von zu Hause weggegangen, um seltsame Dinge zu finden«, meinte Chur, verwirrt darüber, dass sie nun dem Verstand eines Mannes traute und dem guten Willen eines Fremden, eines Menschen - sie, eine Frau aus den Bergen! »Haben sie gefunden, nicht wahr?« Aber sie sah den schmerzhaften Zug um Gerans Schnurrbart und das Beben ihrer Ohren mit den vielen Ringen ihrer Fahrten. Sie sah, wie
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