Chaos Erde
ironisieren.
Übersehen kann man allerdings nicht, daß »einige der Späße in diesem Buch« reichlich mühevoll an den Haaren herbeigezogen sind, gleichzeitig andere offenbar wenig Ähnlichkeit mit dem Stil von Humor aufweisen, den man sonst von Brunner gewohnt gewesen ist. Daß jemand, der in der britischen Anti-Atomwaffen-Bewegung aktiv war, es als witzig empfinden kann, wenn exoplanetare Touristen sich im Rahmen eines Terra-Abenteuerurlaubs in einer Hiroshima-Rekapitulationszone atomisieren lassen, löst unwillkürlich Unbehagen aus. Zudem gehen einige »Späße« auf Kosten Homosexueller, und ein Autor vom Kaliber Brunners hätte sich darüber im klaren sein müssen, daß so etwas allzu billig ist, um keine Bedenken zu verursachen. Ferner spielen kurios viele Episoden des Romans sich in Toiletten ab, eine Allüre, die die Grenze vom Humor zum Krampf überschreitet und selbst bei nur einigermaßen anspruchsvolleren Lesern wohl kaum Anklang finden dürfte.
So hinterläßt die Lektüre des Buchs denn zwiespältige Gefühle. Wer Brunner als Schriftsteller und Zeitgenossen schätzte und mochte, hätte sich von ihm einen respektableren letzten »Brief an die Menschheit« gewünscht. Daß er kein neues bedeutsames Buch mehr beenden konnte, ist ein Malheur seines Lebenslaufs; aber es wird schlußendlich hinter der Geltung seines an Niveau, Inhalt und Tragweite reichen Gesamtwerks zurücktreten.
Naturgemäß stellt jede Übertragung den Übersetzer vor sprach- und werkspezifische Anforderungen, deren Meisterung gelegentlich gehöriges Kopfzerbrechen erfordert. Selten jedoch ist die Herausforderung größer als bei humoristischem Text. Im Fall von Übersetzungen aus dem Englischen hat man es häufig mit dem bekanntermaßen eigentümlichen britischen Humor zu tun. Brunner hat diese kulturelle Eigentümlichkeit seit jeher mit einer deutlichen Vorliebe für Wortspiele verbunden.
Gerade in einem solchen Fall zeigt sich die Unzulänglichkeit des sogenannten originalgetreuen Übersetzens in voller Stärke. Nirgends widerspricht »Texttreue« dem Ziel einer Verständlichkeit der Übersetzung krasser als beim Witz. Man muß es als puren Unfug einstufen, im laufenden Text eine humorvolle Stelle wörtlich wiederzugeben, wie es des öfteren in Büchern zu finden ist, und ihren Sinn in einer Fußnote mit dem Hinweis »Unübersetzbares Wortspiel« zusätzlich zu verschleiern oder mit umständlichen Darlegungen zu erläutern. Bonmots und Fußnoten sind Todfeinde.
Deshalb ist in der vorliegenden Übertragung durchgehend auf derlei plumpe Hilfsmittel verzichtet worden. Die funktionelle Übersetzung hat, obwohl sie nicht wortwörtlich mit dem Originaltext übereinstimmt, den Vorzug, auf den Leser bei der Lektüre eine vergleichbare Wirkung wie das Original aufzuüben und genügt daher auch am besten dem Anliegen des Autors. Nach diesem Prinzip ist bei Muddle Earth verfahren worden.
Allerdings setzte John Brunner großes, vielleicht zu hohes Vertrauen in die Fähigkeit des Übersetzers, auch Muddle Earth kongenial ins Deutsche zu übertragen.
Dem englischen Arbeitsexemplar des Buchs lag ein Zettel bei, auf den er, der zumindest schriftlich ein leidliches Deutsch beherrschte, getippt hatte: »Wenn es jemand auf dieser Erde gibt, der meinen Quatsch auf deutsch übersetzen kann, so ist es fast zweifellos der Pukallus.« Dieser Erwartung gerecht zu werden, habe ich mich nach Kräften bemüht. In umkehrender Anlehnung an Brunners Vorbemerkung zu »Chaos-Erde«, mit der darauf verweist, man verdanke es Dave Wood, wenn manches im Buch überdurchschnittlich lustig geworden sei, muß ich jedoch einschränkend anmerken, daß es, falls die Übersetzung nicht so spaßig wie das Original ist, weniger dem Autor als – wegen der in den vorstehenden Abschnitten aufgeführten, relevanten Probleme – dem Übersetzer angelastet werden sollte.
Horst Pukallus
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