Chaos Kriege Erstes Buch: Die Wächter der Elemente, Teil 1 (German Edition)
Spuren
Es war eine trübe und schwarze Nacht. Die Sterne zeichneten sich neben der schmalen Mondsichel nur schwach ab. Eine kalte und frische Brise fegte über die weiten, grünen Felder des flachen Landes und fand nur geringen Widerstand auf dem offenen Gelände, durch welches Hunderte schwere und breite Füße stampften. In schnellem Schritt zerdrückten sie die Gräser der Wiesen und zerfurchten die Erde, bis nur noch eine leblose, braune Spur ihren Weg markierte. Eine Horde für den Krieg ausgerüsteter Kreaturen mit entstellten oder eingefallenen Gesichtern durchpflügte das Land.
Es war lange her, dass sich eine solch große Zahl an Leichkriegern soweit in die Ländereien der Menschen vorgewagt hatte und dies auch noch bis an die Zähne mit ihren stumpfen Kampfgerätschaften bewaffnet – Messern, Schwertern und Macheten sowie Schlageisen und Keulen. Obwohl sie ermahnt worden waren, möglichst ohne Spuren zu hinterlassen zu reisen, war es ein Ding der Unmöglichkeit diese tollpatschigen, fluchenden und mit ihren Rüstungen scheppernden Bestien unauffällig durch das weite, offene Land zu führen, welches so grässlich nach den kleinen, schwachen Menschen stank. Dabei machte die Nähe der verhassten Menschen die Leichkrieger noch unruhiger und angriffslustiger, als sie es vor der großen Wanderung ohnehin gewesen waren.
Der Anführer der Horde war ein besonders großes, breitschultriges und vor allem hässliches Exemplar eines Leichkriegers mit der dunklen Haut eines Dämons und denselben blutroten Augen, die furchterregend aus dem mit Warzen bedeckten Gesicht stierten. Genannt wurde er Krosnock. Er war zugleich Hüter seines Stammes.
Krosnock wusste, wie man mit Seinesgleichen umgehen musste. Dank der körperlichen Überlegenheit war seine Herrschaft über die anderen gesichert. Seit er sich selbst zum Stammeshüter vorgekämpft hatte, musste er diesen Titel fast täglich gegen irgendeinen Halbstarken verteidigen. Viele seiner Untergebenen musste er opfern, um seine Stellung zu festigen. Denn jeder Herausforderer landete schlussendlich in der Kadavergrotte, die ebenso dazu verwendet wurde, Tierreste und andere Abfälle der Leichkrieger zu entsorgen.
Krosnock konnte sich noch lebhaft erinnern, wie er den alten Stammeshüter nach einem langen Zweikampf hatte enthaupten können. Sein Vater war sehr stark gewesen und er hatte damals all seine Kräfte und sein Können aufbringen müssen, um ihn zu bezwingen. Wäre sein Vater nicht so alt gewesen, dann hätte er den Kampf nicht gewinnen können. Aber ebendies war auch der Grund für den Zweikampf gewesen: Er hatte den anderen Herausfordern zuvorkommen wollen. Denn in einem Leichkriegerstamm bedeutete Stärke alles. Die Schwachen wurden unterworfen oder getötet, das hatte ihm sein Vater frühzeitig beigebracht gehabt. Und es hatte sich gelohnt. Er erinnerte sich noch gut an die letzten Gesichtszüge seines Vaters, als er den körperlosen Kopf an seinem ergrauten und spröden Haarschopf vom Boden gehoben und ihn sorgfältig begutachtet hatte, bevor er ihn der jubelnden Menge präsentiert hatte. Sein Vater hatte damals seinem Schicksal selbstbewusst entgegengeblickt und es war der Ausdruck eines Mannes der stolz war. Genau so war es. Stolz konnte Krosnock noch heute deutlich an den Gesichtszügen des Vaters in seiner Erinnerung ablesen. Der Stolz, den nur ein Vater seinem Sohn zeigen konnte. Und dies war das größte Geschenk, welches ihm jemals zuteil geworden war.
Krosnock führte seine Soldaten in einen dichten Wald, denn in den letzten Stunden waren sie nur durch eine Allee aus Bäumen gedeckt gewesen und sie hatten über das flache und offene Land trotz Dunkelheit eine weit entfernte, menschliche Stadt erahnen können. Dieser grässliche Duft nach Menschen wurde durch den Wind sogar bis zu ihnen getragen und hatte die Mordlust der Horde unbändig gesteigert, was es für ihren Anführer erschwerte, alle beisammen zu halten und so war Krosnock froh gewesen, endlich den Waldrand erreicht zu haben. Spätestens die Morgensonne hätte sie vermutlich sonst verraten. Und mit Verfolgern hätten die vom langen Marsch erschöpften Leichkrieger bestimmt ernsthafte Schwierigkeiten bekommen.
Immer wieder stellte er sich die Frage, ob sein Vater wohl diesen gefährlichen Weg mit den Kriegern des Stammes beschritten hätte, wenn ihm jemand ein solches Angebot unterbreitet hätte. Bislang war es nicht seine Absicht gewesen, eines Tages als der ruhmreichste Leichkrieger
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