Chaos über Diamantia
er sich aus dem Staub.
5.
Die Sonne schwebte dunkelrot im feuchtwarmen Dunst über den westlichen Hügeln. Noch ein paar Minuten, und ihr Rand mußte den Horizont berühren.
Der einzige Überlebende der diamantischen Unterhändler, Joaquin, stolperte im Halbdunkel durch das Unterholz auf die Deckung eines Schlingpflanzengewirrs zu, das in dichten Vorhängen Büsche und Bäume überzog. Dort kauerte er mit schußbereitem Gewehr und beobachtete die unregelmäßige Silhouette eines Hügelkamms, der in nordöstlicher Richtung verlief und an den er sich nicht erinnern konnte.
Seine Lage war verzweifelt. Obwohl er sich zuerst unverletzt geglaubt hatte, hatte er bald darauf eine nasse rote Stelle oben an seinem Rücken entdeckt. Ein herumfliegender Gegenstand mußte seinen linken Schultermuskel verletzt haben. Die Wunde blutete stark.
Und die Nacht brach an.
Verwundet gehörte er dem Dschungel. Die Erkenntnis drang nur langsam durch, denn all seine Energie und Willenskraft konzentrierte sich auf die Notwendigkeit, seinen Körper durch Dunkelheit und Unterholz vorwärts zu bringen.
Lange Zeit war ihm nicht einmal bewußt, wohin er ging. Es gab nur die Dunkelheit und seine Bewegung, sein keuchendes Atmen und das dumpfe Pochen in seinen Schläfen.
Schließlich ermüdete er. Er lag regungslos im Gras unter einem Busch, das Geräusch seines erschöpften Schnaufens laut in den Ohren, und erst jetzt kam der Gedanke, daß er nun den Launen der Wildnis ausgeliefert sei.
Auch wurde ihm klar, wohin er gehen mußte: zum Huß. Er brauchte Wasser. Das Bedürfnis war unwiderstehlich. Sein Mund war trocken, seine Zunge ohne Feuchtigkeit.
Er mußte eingeschlafen oder ohnmächtig geworden sein. Er erwachte mit einem Schreck. Am Osthimmel stand ein Mond, wo zuvor nur Sterne gewesen waren, also war er längere Zeit ohne Bewußtsein gewesen. Und dann merkte er, daß der heiße, stinkende Atem eines Tieres in sein Gesicht blies. Zwei Augen glühten ihn gelblich an.
Joaquins Herzschlag setzte aus. Er schreckte zurück, dann riß er seinen Arm hoch und schlug blindlings zu. Seine Faust traf einen knochigen Schädel.
»Hau ab!« kreischte er. »Weg mit dir!«
Seine Schläge waren nicht sehr kraftvoll, und sein Schreien war nicht sehr laut, aber die Augen wichen zurück. Und nun, da das Tier nicht mehr so nahe war, sah Joaquin, daß es ein Schakal war.
»Hattest nicht den Mut, mir die Kehle durchzubeißen, wie?« keuchte Joaquin. »Verschwinde!«
Trotz seines augenblicklichen Zorns fühlte er Erleichterung, daß die Gefahr nicht größer war. Er stieß seinen halb gezogenen Revolver zurück in die Halfter und blickte umher. Seine Hände zitterten von der Nachwirkung des Schocks. Sitzend tastete er nach seinem Gewehr, und als er sich dabei zur Seite wandte, sah er einen zweiten Schakal hinter sich, wahrscheinlich den Partner des ersten. Das Tier hockte auf seinen Keulen und starrte ihn unverwandt an.
Der Anblick des zweiten Schakals schockte ihn aufs neue. Er wagte nicht mehr zu liegen. In seinem erschöpften Zustand würde er bald wieder einschlafen, und das konnte das Ende bedeuten.
Stärker und verzweifelter als zuvor kam die Erkenntnis, daß er Blut verloren hatte und nicht mehr lange bei klarem Verstand sein würde, wenn er kein Wasser bekäme.
Er richtete sich auf, hängte sich das Gewehr um und wankte weiter. Der Mond verschwand hinter dem Blätterdach, während der Mann sich mühsam durch das finstere Unterholz tastete. Nach einer halben Stunde stieß er auf einen ausgetretenen Wildwechsel, der wie ein schmaler, niedriger Tunnel durch das grüne Dickicht in die Talschlucht hinunterführte. Joaquin sah darin einen Fingerzeig Gottes, den er mit einem Dankgebet quittierte. Nach dieser glücklichen Wende kam er schneller voran, und es dauerte nicht lange, bis er in der Schwärze voraus leises Glucksen und Plätschern von Wasser hörte.
Plötzlich stand er auf der festgetretenen nackten Erde am Ufer der Wildtränke. Er legte sich auf den Bauch, um zu trinken, und die Erde war feucht und kühl und wohltuend. Nachdem er getrunken hatte, tauchte er sein heißes Gesicht unter, und dann schob er sich noch ein Stück weiter und badete Oberkörper und Arme im kühlenden Wasser. Etwas von seinem Blut wurde fortgespült und von der Strömung zu dem Stamm getragen, der acht oder neun Meter entfernt halb im Wasser, halb im Uferschlamm lag.
Der Stamm regte sich, glitt ganz ins Wasser, dessen stille Oberfläche kaum ein Kräuseln
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