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Chaos über Diamantia

Chaos über Diamantia

Titel: Chaos über Diamantia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. E. van Vogt
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zeigte. Er trieb rasch näher, und seine Augen reflektierten das Mondlicht wie zwei matte gelbe Scheibchen; und Joaquin, eben im Begriff, ein zweites Mal zu trinken, beobachtete sie mit einem so distanzierten Interesse, daß es ihn eine Anstrengung kostete, den Gedanken zu formulieren:
    Ein Krokodil! Ich muß schießen!
    Wieder diese plötzliche Wut. Er erhob sich auf die Knie, zog seinen Revolver und feuerte aus einer Körperlänge Distanz auf eines der Augen. Er hatte nicht das Gefühl, persönlich engagiert zu sein, bis das Krachen des Revolvers mit einem Dutzend Echos durch das nächtliche Tal rollte und ihn aus seiner Benommenheit riß.
    Er starrte erschrocken, als das Wasser von den Schlägen und Zuckungen eines schweren Körpers aufgewühlt wurde. Es bedurfte keiner Willensanstrengung mehr, diesen Wirklichkeit gewordenem Alptraum zu fliehen.
    Eine Weile ließ der Dschungel ihn in Ruhe. Er lebte, bewegte sich und konzentrierte sein Denken und seine ganze Existenz auf den Wildwechsel, der endlos eine Nacht durchtunnelte, die nur gelegentlich von laubwerkgerastertem Mondlicht erhellt wurde.
    Aber er war jetzt frischer und wacher, und mit der Rückkehr seiner Intelligenz kam die Überzeugung, daß er das rückwärtige Basislager seiner Unterhändlergruppe erreichen mußte, bevor die Leute dort überfallen wurden.
    Mit diesem Ziel vor Augen verspürte er zum ersten Mal echte Furcht, daß der Dschungel ihn hindern könnte, sein Vorhaben auszuführen. Noch vor wenigen Stunden war er immun gewesen, allen Bedrohungen und Gefahren entrückt. Aber nun hatten die Irsk seinen stämmigen kurzen Körper auf die Ebene des Dschungels zurechtgestutzt.
    Er verhielt kauernd, als ein Schatten über den Mond glitt. Fast sofort sah er, daß es eine Wolke war. Aber der Funke der Angst hatte gezündet. Der Dschungel war plötzlich lebendig. Er wisperte und seufzte. Er raschelte, zischte und knarrte. Er machte tappende Geräusche wie von Füßen, die näher kamen und sich wieder entfernten.
    Dann, als er einer der willkürlichen Biegungen des Wildwechsels folgte, sah er plötzlich jemanden vor sich stehen und ihn anstarren, kaum weiter als drei Meter entfernt. Sein erster Eindruck war, daß es ein Irsk sei. Aber als er die Erscheinung entgeistert anstierte, vor Angst wie versteinert, sah er, daß es eine schwach leuchtende Gestalt war, und daß er durch sie Zweige und Blätter und Ranken sehen konnte.
    Eine schreckliche Erinnerung kam ihm in den Sinn. Er hatte Geschichten gehört, nach denen allnächtlich Dämonen und Geister verstorbener Irsk aus den oberen Luftschichten herabgeflogen kamen, Äste schüttelten, Gewässer aufwühlten, durch das Unterholz schritten und stöhnende Schreie ausstießen.
    Das transparente Wesen kam lautlos näher, beugte sich über ihn (es mußte zwei Meter groß sein) und sagte etwas. Joaquin, ein guter Katholik, begriff sofort, daß er einer Versuchung des Teufels ausgesetzt war; und er verschloß seine Ohren, um nicht ein einziges Wort einzulassen. Doch konnte er nicht umhin, zu verstehen, daß er aufgefordert wurde, etwas zu versprechen. In Anbetracht seiner geschwächten Kondition erklärte er feierlich und mit bebender Stimme, daß er gern alles tun wolle, was der Geist von ihm verlange, aber dann ließ er ein stummes Stoßgebet folgen, in dem er sich seinem Gott anbefahl und von dem erzwungenen Versprechen lossagte.
    Der Klang seiner lauten Stimme und sehr wahrscheinlich auch die Bewegung der leuchtenden Erscheinung schreckten drei Wildschweine auf, die nahebei nach Wurzelknollen gewühlt hatten. Sie brachen blindlings aus dem Unterholz auf den Tierpfad, und Joaquin konnte ihren Körpern nur mit knapper Not ausweichen. Immerhin streiften die Hufe oder die Hauer eines Wildschweins sein rechtes Bein und schlitzten Hosenstoff und Haut auf. Als Joaquin sich wieder der Erscheinung zuwenden konnte, war sie verschwunden.
    Ungeachtet des brennenden Schmerzes in seinem Bein begann er zu rennen. Nach hundert Metern taumelte er wie ein Betrunkener, und ein kleines Stück weiter fiel er ausgepumpt zu Boden, zu schwach für jede Bewegung.
    Sein Gehirn, verstört vom Schock der Begegnung und der beruhigenden Stütze physischer Kraft beraubt, war noch schwächer als sein Körper. Als er sich ein wenig erholt hatte, kroch Joaquin die nächste Stunde lang wie ein hirnloser Automat auf allen vieren vorwärts, Flüche und zusammenhanglose Worte brabbelnd und auf jedes Geräusch des Dschungels mit heulenden

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