Chaosprinz Band 1
Tanzfläche stehen bleiben.
»Sie hasst mich!«
»Was?«
»Melanie! Sie hasst mich!«
»Aha…« Verwirrt schaue ich sie an und verstehe rein gar nichts.
»Das, was sie gesagt hat, über den Zusammenhalt der Klasse, dass wir alle eine große, durchgeknallte Clique sind und so, das stimmt…« Lena holt tief Luft. »Ich hab das alles nie so ernst genommen… Hm, aber in dieser Clique gibt's nun mal Regeln und eine von diesen Regeln habe ich gebrochen…«
»Du hast vergessen, dich vor Alex zu verbeugen?«, frage ich sie verwirrt.
»Ich hab mit Jan geschlafen… Vor ein paar Wochen…«
»Oh.«
»Ja, oh!« Lena fährt sich etwas fahrig durch die Haare.
»Kam nicht gut?« Ich schaue sie mitleidig an.
»Nein.«
»Aber gehören zu so einer Sache nicht immer zwei?«
»Melanie und er haben das schön so hingedreht, dass ich die Böse war…« Sie klingt traurig. »Ich hab's da drinnen gerade einfach nicht mehr ausgehalten. Ich meine, ihre überfreundliche Art, mit mir zu reden, seine Ignoranz, das dauernde Geturtel… Das macht mich echt wahnsinnig.«
Ich sage nichts, nicke nur. Ich verstehe sie.
»Sorry, Tobi, dass ich dich hier mit diesem ganzen Zeug vollmülle. Ich meine, das interessiert dich bestimmt ziemlich wenig, aber… Irgendwie habe ich das Gefühl, dich vorwarnen zu müssen. Vielleicht will ich aber auch nur nicht, dass du blöde Gerüchte hörst und dann schlecht von mir denkst, ach, keine Ahnung…« Sie streicht sich ein paar rotbraune Strähnen aus dem Gesicht und atmet laut aus.
»Schon okay, ich find's gut, dass du's mir gesagt hast.«
»Ich komme mir jetzt ziemlich dämlich vor…«
»Hey, wir standen die letzten zwanzig Minuten in der Küche und haben potthässliches Meißner Porzellan in Altpapier eingewickelt. Also, da hättest du dir dämlich vorkommen müssen.« Ich grinse sie aufmunternd an.
Lena lacht. »Du hast recht!«
»Natürlich habe ich recht. So, und nun komm, wir können Elena nicht einfach alleine in der Küche sitzen lassen.«
Wir bahnen uns einen Weg durch die tanzenden Leute. Die Musik ist mittlerweile ohrenbetäubend laut. Auf den Sofas sitzen wild knutschende Pärchen, von denen die Hälfte morgen früh vor Scham wahrscheinlich im Erdboden versinken wird. Die Party hat sich anscheinend ausgebreitet. Wir können Geschrei, Gelächter und Getrampel aus dem ersten Stock vernehmen. Im Garten sitzen einige Leute um den Pool herum. Ich möchte gar nicht wissen, was da alles im Wasser schwimmt…
Auf halbem Weg treffen wir auf Martin. Er versucht gerade, einem betrunkenen Kerl eine große Engelsfigur aus Porzellan abzunehmen, mit der dieser einen engen Stehblues tanzen möchte.
»Hey, hier ein paar Kartons… für das Meißner Geschirr… ach, und habt ihr meinen Goldfisch gesehen? In seinem Aquarium ist er nicht mehr…«
Lena und ich sehen uns entsetzt an, schütteln dann die Köpfe und gehen mit den Kartons in die Küche, während Martin weiter um seinen Engel kämpft. Elena atmet erleichtert auf, als wir wiederkommen. Sie nimmt uns die Pappe ab und gemeinsam verpacken wir das Geschirr in den Schachteln.
»Wo ist Gwen?« Ich schaue mich in der Küche um, schiebe die Leute vor dem Buffet zur Seite und kann sie trotzdem nirgends finden.
»Sorry, Tobi, aber gerade waren wieder diese Typen mit dem Football hier… Die haben sie mitgenommen…« Elena schaut schuldbewusst zu Boden.
» Was? Aber… arme Gwen…«
»Hey, na, habt ihr das Zeug verpackt? Gut.« Martin sieht aus, als wäre er geradewegs von einem Schlachtfeld gekommen. Nervös fährt er sich durch die Haare.
»Hast du deinen Goldfisch gefunden?«, fragt Lena sofort.
»Nein, aber ist jetzt egal… Könnt ihr mir helfen, die Kartons in die Garage zu stellen? Da kommt bestimmt nichts dran…«
Wir holen schnell unsere Schuhe, können ja schlecht in unseren Strümpfen durch den Garten rennen. Dann nimmt sich jeder eine der kleinen Pappschachteln. Gemeinsam verlassen wir die Küche. Martin geht voraus und brüllt dabei immer: »Achtung! Aus dem Weg! Zerbrechlich!«
Es hört ihn natürlich keiner. Ein Mädchen ist auf den Esstisch gestiegen und fängt unter lauten Anfeuerungsrufen an, ihre Bluse aufzuknöpfen.
»Viola«, ruft Elena schockiert, doch das Au-pair-Mädchen der Klimmers lässt sich nicht beirren und setzt ihre Show unter starkem Beifall des männlichen Publikums fort. Elena und Martin drücken uns nun zusätzlich ihre Pakete in die Arme und versuchen das dunkelhaarige Mädchen von dem Tisch
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