Chaosprinz Band 1
erfahren.
Nervös blicke ich ihn an. Dieses Thema scheint ziemlich heikel zu sein. Ob ich zu weit gehe, wenn ich ihn darauf anspreche? Er mag es nicht, persönliche Dinge zu erzählen, doch meine Neugier bringt mich schier um.
»Du, sag mal, wenn du eigene Geschichten schreibst, was sind das dann für welche?« Meine direkte Frage trifft ihn ziemlich unerwartet. Er schaut mich an. Überrascht und verwirrt. Dann verändert sich seine Miene. Dunkel ziehen sich seine Augenbrauen zusammen, er funkelt mich angriffslustig an.
»Ich schreibe nicht!« Seine Stimme klingt drohend.
»Nicht mehr«, korrigiere ich ihn lebensmüde. Unsere Augen treffen sich, ich versuche, ihn mit meinem Blick festzuhalten.
»Früher habe ich futuristische Westernkomödien geschrieben mit sprechenden Tieren als Hauptfiguren!«, antwortet er trocken.
»Alex!« Ich schaue ihn tadelnd an, muss aber ein bisschen grinsen.
»Ach, was weiß denn ich«, seufzt er. »Das waren einfach ganz normale Geschichten. Meist kurze Novellen…«
»Wovon handelten sie?«
»Von unterschiedlichen Dingen. Alltagsituationen, kurze Einblicke in die Gedankenwelten irgendwelcher Menschen…«
»Klingt gut.« Ja, nur ich klinge schon wieder schwach. Mann, mir fehlen einfach die richtigen Worte. Schweigend sitzen wir nebeneinander.
»Darf ich mal was von dir lesen?« Schüchtern blinzle ich ihn an.
Er stutzt und sieht mir fest in die Augen. »Ich denke eher nicht.«
Enttäuscht blicke ich zu Boden. Vertraut er mir nicht?
»Und warum schreibst du jetzt nicht mehr?« Eine letzte Frage. Er schüttelt den Kopf, schnappt sich den schweren Rucksack, steht auf und ruft kurz nach Timmy und Emma, ehe er sich noch einmal zu mir umdreht.
»Verdammte Scheiße, warum interessierst du dich überhaupt für diesen Mist? Häh? Ich hab einfach keine Zeit mehr fürs Schreiben, es gibt momentan wichtigere Dinge. Das Abi steht in absehbarer Zeit an und ich habe nicht vor, mit einem beschissenen Durchschnittsabschluss die Schule zu beenden. Ich will studieren!«, erklärt er schnell und kühl.
»Und was willst du studieren?« Ich bin aufgesprungen und stehe nun mit klopfendem Herzen vor ihm.
»BWL«, murmelt er kurz angebunden.
»BWL? Ach, Bullshit!« Verarschen kann ich mich alleine. Was soll der Mist? Wem will er hier etwas vormachen? Das ist doch nie und nimmer sein Herzenswunsch…
Wir starren uns einige Sekunden lang an, doch ehe einer von uns noch etwas sagen kann, stehen auch schon die Zwillinge neben uns und quengeln, sie hätten Hunger.
Wir machen uns auf den Weg zurück zu Pa und Bettina. Die Kleinen verhindern ein privates Gespräch und so beschränkt sich unsere Konversation in den nächsten fünfzehn Minuten auf die weltbewegende Frage, wo die Pfleger den ganzen Elefantenkot hinbringen. Ein Thema, das Timmy und Emma momentan brennend interessiert.
Bettina, Pa und Maria haben es sich auf einer großen, rot karierten Decke im Gras gemütlich gemacht. Ausgehungert lassen wir uns neben sie fallen und während die Zwillinge von Bert, Ernie und dem Korallenriff erzählen, holt Bettina all ihre leckeren Schätze aus dem Picknickkorb.
»So, ich habe die Brote selbst gemacht. Ich hoffe, sie schmecken euch! Es ist alles drauf, Gurken, Käse, Wurst, Eier, Tomaten…«
Das stimmt! Sie hat wirklich alles drauf gepackt… Ich mustere das Monsterbrot, das sie mir gerade in die Hand drückt. Es ist mindestens zehn Zentimeter dick. Ich starre etwas verwirrt auf die drei Käsescheiben zwischen den beiden Brothälften sowie auf das halbe Ei und die dicken, grünen Gurkenscheiben.
Etwas überfordert versuche ich, meinen Mund soweit wie nur möglich aufzureißen, um ein Stück des Sandwichs abzubeißen, ohne dabei die Hälfte des Belags zu verlieren. Den anderen geht es nicht wirklich besser. Ich muss grinsen, als ich meiner Familie dabei zuschaue, wie sie alle mit weit geöffneten Mündern dasitzen und immer wieder zusammenzucken, weil ihnen ein Stück Tomate oder etwas vom Ei aus dem Brot gefallen ist.
Bettina macht ein ganz verzagtes Gesicht, als sie unsere Probleme mit ihren Monsterbroten bemerkt, doch bestätigen wir ihr alle schnell, wie außergewöhnlich lecker sie doch wären.
»Wirklich?«, fragt sie unsicher und wischt über Emmas weißes Hemdchen, auf dem ein großer roter Tomatenfleck prangt.
»Hm… ja… sehr lecker«, schmatzt Pa mit vollem Mund und sammelt schnell die heruntergefallenen Gurkenscheiben auf. Bettina sieht ihn einige Sekunden lang nachdenklich an,
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