Chaosprinz Band 1
mir auch solche Sachen gemacht hat? Ist er mit mir vielleicht mal am Hafen gewesen und hat mir die ganzen, großen Containerschiffe gezeigt? Habe ich auch Fragen gestellt und bin ich auch so fasziniert von seinen Antworten gewesen?
Ich weiß es nicht mehr. Es gibt keine Bilder von irgendwelchen Ausflügen. Überhaupt kenne ich kein Foto, auf dem ich auf seinem Schoß sitze oder er mich durch die Gegend trägt. Ma hat die meisten Bilder in einem Wutanfall verbrannt. Sie wollte ihre Erinnerungen an ihre Vergangenheit zerstören. Dass sie dabei aber auch meine Erinnerungen an meine Vergangenheit zerstört, daran hat sie nicht gedacht.
»Wir haben uns dazu entschlossen, dass wir uns aufteilen könnten. Das Gepäck ist nun doch recht schwer und darum bleiben Dad und ich mit den Rucksäcken hier und ihr könnt eine Runde alleine losziehen. Aber bleibt zusammen und Emma und Timmy müssen euch immer die Hand geben. Ihr habt ja eure Handys dabei. Wir sprechen uns dann einfach ab, wo wir uns wieder treffen und dann essen wir zusammen. Okay?« Bettina lächelt Alex und mich an und die Zwillinge hüpfen schon voller Vorfreude um uns herum.
»Ja, klar«, nicke ich zustimmend. »Und was ist mit Maria?« Sie steht einige Meter von uns entfernt und unterhält sich mit einem Mädchen in ihrem Alter.
»Sie hat eine Schulfreundin getroffen, am besten ihr geht zu viert los«, erklärt Bettina kurz. Unter tausend Ermahnungen und gut gemeinten Ratschlägen machen wir uns schließlich auf den Weg.
»Aber jetzt gehen wir zu den Löwen!«, brüllt Timmy aufgeregt.
»Nein, zu den Elefanten!«, unterbricht ihn Emma laut. Alex und ich gehen gar nicht weiter auf das Geschrei der Kleinen ein. Langsam und entspannt setzen wir unseren Weg fort, bleiben hin und wieder stehen und beobachten die verschiedenen Tiere in ihren Gehegen. Im Urwaldhaus angekommen schieben wir uns durch die Leute, um einen möglichst guten Blick auf die Affen hinter den dicken Glasscheiben zu erhaschen.
»Hier haben wir deine Freunde, Bambi«, flüstert mir Alex zu, als wir eng nebeneinander hinter den Zwillingen stehen, die ihre Nasen an der Scheibe plattdrücken.
Die Gorillafamilie liegt gelangweilt auf ihren Felsen herum. Hin und wieder hangelt sich ein jüngeres Tier von einem der Steine zu einem anderen. Die Blicke, die sie den Menschen auf der anderen Seite des Glases zuwerfen, sind eher mitleidig.
»Warum schaut der so?« Emma deutet mit dem Zeigefinger auf einen großen, schwarzen Gorilla, dessen dunkle Knopfaugen uns schon eine ganze Weile fixieren.
»Och, der hat heute schlechte Laune. Weißt du, eine der Giraffen feiert nachher, wenn der Zoo geschlossen hat und alle Besucher gegangen sind, eine große Geburtstagsparty. Und er hier, seine Name ist übrigens Bert, er ist nicht zur Party eingeladen worden.« Ich nicke ernst. Alex neben mir verdreht die Augen, doch Timmy und Emma schauen mich interessiert an.
»Armer Bert«, sagt Timmy.
»Sein Kumpel Ernie, der Orang-Utan, hat ihm aber versprochen, er bringt ihm ein Stück vom Geburtstagskuchen mit«, erkläre ich locker, während wir weitergehen. Die Kleinen grinsen fröhlich.
»Ernie und Bert?« Spöttisch sieht mich Alex an.
»Was denn, wieso nicht?« Ich zucke schlicht mit den Schultern.
»Wie kommst du nur immer auf so einen Schwachsinn?«, schmunzelnd schüttelt Alex den Kopf.
»Es macht Spaß.« Ich schaue ihm in die Augen. Stört es ihn so sehr? Findet er mich kindisch? Mag er deshalb nicht mit mir zusammen sein?
»Mit einer kleinen Geschichte kann man eine ganz banale Situation in ein kleines Wunder verwandeln! Das finde ich schön«, flüstere ich unsicher.
Stumm sehen wir uns an. Mit klopfendem Herzen versuche ich, in seinen Augen zu lesen, tiefer zu schauen, seine Gefühle zu erraten und Antworten auf meine Fragen zu finden. Doch das Glitzern in seinen Augen ist unergründlich und irgendwie wird mir schwindelig.
»Wir wollen weiter«, nörgelt Timmy und zerrt an Alex' Handgelenk.
»Okay!« Alex blinzelt mich noch einmal an, dann lässt er sich von Timmy mitziehen. Wir schlendern noch eine Weile durch das Urwaldhaus und gehen schließlich ins Aquarium, in dem es Gott sei Dank ein klein wenig ruhiger ist als draußen. Blaues Licht schimmert von überall her. Größere und kleinere Fische schwimmen durch die Becken.
Wir sagen beide nicht viel, als wir den Zwillingen auf ihrer Entdeckungstour durch das Aquarium folgen. Wieder draußen an der frischen Luft atme ich erst einmal erleichtert
Weitere Kostenlose Bücher