Chaosprinz Band 1
wohlgeformt, das Kinn und die Wangenknochen dezent markant… und seine Haare… reichen ihm beinahe bis zu den Schultern, sind strohblond, glatt und umrahmen seidig weich das blasse Gesicht…
Er beugt sich nach vorne und spielt an den Knöpfen der Stereoanlage herum. Das helle Haar fällt ihm in die Stirn. Mit einer einfachen Kopfbewegung bringt er die Strähnen wieder in Form, dabei dreht er den Kopf und sieht aus dem Fenster. Er schaut mich direkt an.
Seine Augen.
Grau. Hell. Kühl.
Ein stürmischer Herbsthimmel umrahmt von schwarzen Wimpern. Langen Wimpern.
Wir sehen uns an. Sekunden vergehen, werden zu Minuten und Stunden. Eine Ewigkeit.
Dann verschwindet er aus meinem Blickfeld. Einfach so. Ganz plötzlich. Weg.
Ich atme hektisch. Was ist passiert? Wo ist er hin, wo bin ich hin?
»Alles klar?« Manuels Stimme klingt dumpf und schrecklich weit entfernt. Es dauert, ehe ich begreife, was eben passiert ist. Wir haben wohl Grün gehabt und konnten weiterfahren. Ich räuspere mich. Gott, was ist das eben gewesen?
»Ähm, ja, klar, alles bestens.«
»Kanntest du ihn?«
»Was? Wen?«
»Den Fahrer des Daimlers?«
»Ach so… Ich weiß nicht – ähm, was rede ich denn da? Nein, natürlich kannte ich den Typen nicht.« Was ist nur los? Dieses seltsame Gefühl... ich kann es nicht beschreiben…
Manuel sagt nichts mehr. Scheiße, er ist so nett und hilfsbereit und ich spiel hier den Volltrottel vom Dienst. Sofort meldet sich mein schlechtes Gewissen.
»Ich muss mich noch bei dir bedanken. Ich weiß echt nicht, was ich ohne dich getan hätte.« Ich schenke ihm ein nervöses Lächeln. Er erwidert es sofort.
»Kein Problem, als Tierarzt ist es ja sozusagen meine Pflicht, jedem noch so kleinen Lebewesen zu Hilfe zu eilen – und bei gemeinen Mordanschlägen zählt das sogar doppelt.« Er will mich nur necken. Sein freundlicher Blick verrät es mir. Trotzdem rutsche ich unruhig auf meinem Sitz hin und her.
»Also, eigentlich bin ich kein schlechter Mensch. Ich mag Tiere. Vor allem Hunde, aber auch Katzen, und ich hatte mal einen Hasen…«
»Hast du den auch getreten?«
»Nein, und wenn du mich nicht ernst nimmst, dann bin ich wohl besser still.«
»Hey, nicht beleidigt sein.« Manuels Grinsen wird breiter. Er hat seinen Spaß.
Ich schiebe meine Unterlippe nach vorne und schaue ihn aus großen, vorwurfsvollen Augen an. Darauf ist noch jeder angesprungen. Und natürlich reagiert auch Manuel sofort. Wie auf Kommando beginnt er erst, sich zu entschuldigen, und wechselt anschließend das Thema.
»Wo wohnst du eigentlich? Kommst du aus München? Soll ich dich zu Hause absetzen?«
Zu Hause? Wenn ich nur wüsste, wo das genau ist. Schlagartig kommt die Unsicherheit zurück und mit ihr das widerlich flaue Gefühl in meiner Magengrube. Über die ganze Aufregung habe ich meinen Vater und seine Familie total vergessen – und sie mich offensichtlich auch.
Wühlend suche ich mein Handy in der Umhängetasche. Wegen der Ikea-Geschichte habe ich es auf lautlos gestellt. Drei Anrufe in Abwesenheit. Die Nummer kenne ich nicht. Wahrscheinlich hat sich Super-Dad irgendwann doch Gedanken gemacht, wo ich stecken könnte.
»Sorry, ich muss mal eben telefonieren.«
»Klar, kein Problem«, meint Manuel.
Ich wähle die fremde Nummer aus und drücke auf Anruf. In meinem Bauch beginnt es, unangenehm zu kribbeln. Gleich werde ich mit meinem Vater sprechen. Wenn ich nur wüsste, was ich sagen soll? Die Situation ist doch echt zu blöd. Wirklich kein besonders guter Anfang für eine harmonische Vater-Sohn-Beziehung. Ich streife meine feuchten Hände an der Jeans ab. Es klingelt durch.
»Toll, dass du dich endlich mal meldest. Wurde auch verdammt noch mal Zeit. Sag mal, weißt du, was für einen Stress ich wegen dir habe? Wo bist du, Mann?«
Wow, es hat mir die Sprache verschlagen und das passiert nicht oft. Normalerweise fällt es mir irre schwer, die Klappe zu halten – selbst wenn es eigentlich wünschenswert wäre. Doch dieses Mal bleibt mir wirklich der Mund offen stehen.
»Hey, hallo? Bist du noch dran? Das gibt's doch nicht! Was bist du denn für ein Penner?«
Das ist nicht mein Vater. Die Stimme klingt viel zu jung, viel zu unverschämt, schnippisch, kalt und arrogant.
»Ich bin ein Penner? Ich? Wer hat denn über eine Stunde an diesem beschissenen Bahnhof gewartet und wer ist nicht aufgetaucht?«
»Ist das meine Schuld?«
»Nein, klar, es ist meine…«
»Wo bist du?«
»Bei einem Freund!«
Manuel, der dem
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