Chaosprinz Band 1
hasse Aggressionen, bin total gegen Gewalt und absolut harmoniesüchtig. Im Streiten bin ich eine Niete. Ich werde viel zu schnell emotional, dann gehen mir die Argumente aus und meine Stimme wird schrill. Darum vermeide ich Streit.
»Alles okay? War das wieder dein Bruder?« Manuel wirft mir einen besorgten Blick zu, wird aber immer noch von seinem eifersüchtigen Freund in Schach gehalten. Ein Nicken meinerseits.
»Ja, ich muss gehen.«
»Och, schon?«
Manuel ignoriert Marcs Kommentar und reicht mir ein Stück Papier. »Schreib mir deine Handynummer auf – damit ich dir sagen kann, wie es Ikea geht«, fügt er noch schnell hinzu, als er den Blick seines Freundes bemerkt. Ich notiere die Ziffern auf dem Zettel und gebe ihn Manuel zurück. »Ich bringe dich raus, wir müssen ja sowieso noch dein Gepäck aus meinem Auto holen.«
»Ja, stimmt. Also, Marc, äh« – es war mir eine Freude, ich hoffe wir sehen uns bald mal wieder, Horrido! – »… Tschüss!«
»Tschüss.« Ein kalter Händedruck, ein letzter Blick zu Ikea, die wieder eingeschlafen ist, und ich drehe mich um und folge Manuel aus dem Raum. Schweigend laufe ich neben ihm her und bemerke erst gar nicht, wie er nervös seine Hände knetet.
»Marc ist eigentlich nicht so… Normalerweise ist er nett und offen, ein toller Mensch eben, nur wenn er denkt, dass ich… also, wenn er das Gefühl hat, ich würde…« Sein Rumgestammel verwirrt mich echt, was will er mir bloß sagen?
»Was?« Wieder muss ich das Kinn anheben, um ihm in die Augen zu schauen.
»… wenn er das Gefühl hat, ich würde mich für einen anderen interessieren…« Seine Wangen leuchten rötlich. Ich schüttle den Kopf.
»Das ist doch total schwachsinnig, warum solltest du dich für mich interessieren?«
Manuel lächelt wieder so seltsam und ich versteh es nicht. Er hält mir die Eingangstür auf und ich gehe an ihm vorbei ins Freie.
»Oh Gott, Tobi, du hast ja keine Ahnung, wie…«
Den Rest höre ich nicht mehr. Direkt vor der Einfahrt parkt der schwarze Daimler. Er lehnt lässig dagegen, die blonden Haare fallen ihm in die Stirn, als er sich eine Zigarette anzündet. Dann sieht er auf.
6. Kapitel
Von teuflischen Engeln
Ich kann mich nicht bewegen. Meine Arme fühlen sich schwer und steif an und ich fürchte, meine Beine sind kurzzeitig gelähmt.
»Tobi? Alles okay? Tobi? Ich hol deine Sachen aus dem Auto.«
Keine Ahnung, wo sich Manuel gerade aufhält. Er muss weit, weit weg sein, seine Stimme klingt leise und dumpf. Ich kann ihn kaum verstehen. Ich nicke, denn ich weiß plötzlich nicht mehr, wie das mit dem Sprechen funktioniert. Alexander lehnt noch immer an dem Wagen. Auch er hat bisher kein Wort gesagt. Es ist wie vorhin an der Ampel: Wir sehen uns einfach nur an…
»Okay, hier ist dein Gepäck.« Manuel drückt mir die Tragetasche in die Arme und zwingt mich so dazu, meine Starre endlich zu lösen.
»Danke.« Ich klinge rau und heiser, als hätte ich die letzten fünf Jahre im Kloster und unter einem Schweigegelöbnis verbracht. Manuel lächelt, wir stehen uns jetzt gegenüber.
»Ich geh dann mal wieder rein. Du kommst zurecht?«
»Ja, klar, alles in Ordnung!« Das ist gelogen. Nichts ist in Ordnung. Gar nichts. »Danke für alles.«
»Keine Ursache. Es hat mich echt gefreut. Und viel Glück mit deiner neuen Familie. Sollte irgendwas sein, kannst du hier immer vorbeikommen.«
»Danke. Tschüss.«
Freundschaftlich berührt seine große, starke Hand meine Schulter und ich kämpfe gegen den irren Wunsch an, mich in seine Arme zu werfen und ihn anzuflehen, mich mit zu sich nach Hause zu nehmen. Die Vorstellung, jetzt gleich zu ihm ins Auto zu steigen, bringt mich fast um den Verstand. Ein letztes Lächeln für mich und ein ernstes Nicken in Richtung Alexander, dann dreht sich Manuel um und geht zurück zum Haus.
Nun sind wir allein. Ich will, dass Manuel zurückkommt, damit ich mich hinter seinem breiten Rücken verstecken kann. Er sagt immer noch nichts. Langsam finde ich die ganze Situation seltsam. Irgendjemand muss dieses Schweigen brechen…
»Hi, ich bin Tobi.« Ich weiß nicht, ob er mich gehört hat, denn ich habe selbst Probleme, mein Piepsen zu verstehen. Ein Schritt nach vorne – nun stehe ich direkt vor ihm. Er ist viel größer als ich, etwa 1,90m, schlank, sportlicher Oberkörper, schmale Hüften und lange Beine. Scheiße, er sieht einfach unglaublich gut aus, noch nie habe ich einen so schönen Jungen gesehen, noch nie…
Er ignoriert
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